Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
Trauer erfüllt, dass sie nicht einmal versuchte, nach einer Fährte Ausschau zu halten, geschweige denn sich anzupirschen. Sie stürzte voran und trampelte alles nieder, was vor ihr lag, ihr massiges gestreiftes Gesicht schäumte vor rasender Wut. Der Igel blieb wohlweislich hinter Konstanze zurück. Ihre riesigen stumpfen Klauen warteten nur auf ein Opfer, das sie in der Luft zerreißen konnten; keine Macht der Welt würde den Fuchs retten können, wenn Konstanze ihn erwischte. Aber der Dächsin war diese Genugtuung nicht vergönnt.
Zitternd vor Angst saß Hühnerhund mit angehaltenem Atem in seinem Versteck, als das Waldungetüm in nur wenigen Metern Entfernung vorbeidonnerte. Hoffnungsvoll lauschte er, wie sich der Pfad der Zerstörung durch Mossflower zog und sich dann in der Ferne verlor. Im Wald wurde es wieder still.
Schließlich stieß Hühnerhund einen langen Seufzer der Erleichterung aus.
Und wieder einmal hatte der selbst ernannte Herr und Meister des Verbrechens ein paar alberne Tiere an der Nase herumgeführt. Für wen um alles in der Welt hielten die sich eigentlich?
Wenn sich seine wagemutigen Heldentaten herumgesprochen hatten, würde sich so manch einer an ihn wenden, vielleicht sogar Füchse. Ja, er sah es klar und deutlich vor sich, Hühnerhund an der Spitze einer Bande von Fuchsdieben, die plünderten und stahlen, wo immer es ihm beliebte. Natürlich würde er einen anderen Namen annehmen, einen, der seiner Stellung eher gerecht wurde: Rotblitz oder Nachtschreck oder vielleicht Mäusetöter! Na, das klang doch wirklich gut, Mäusetöter! Seine Anhänger würden ihn bewundern, sie würden sich Geschichten über seine verblüffenden Taten erzählen. Sie würden davon überzeugt sein, dass der rätselhafte Mäusetöter immer ein Dieb von Rang und Namen gewesen sei, und keine Ahnung davon haben, dass er seine Laufbahn einst so bescheiden als Hühnerhund, der Sohn der alten Sela, begonnen hatte.
Während er noch in der Dunkelheit kauerte, entschied der junge Fuchs, dass die Luft jetzt rein war. Er konnte sich wieder hervorwagen. Er griff hinter sich nach dem Beutel mit dem ersten im Alleingang erbeuteten Diebesgut. Bevor er sich auf den Weg machte, wollte er seine Schätze noch einmal in die Hand nehmen, um ganz sicher zu sein, dass er hier den verheißungsvollen Anfang seines neuen Unternehmens bei sich trug. Seine Pfote tastete in der Dunkelheit umher und spürte etwas.
Es war nicht der Beutel mit dem Diebesgut.
»Asmodeussssssssss!«
An jenem Abend verkündete die Josefsglocke mit ihrem Geläut die für die Abtei von Redwall so leidvolle und schmerzliche Botschaft.
Mäuse und Waldbewohner saßen auf dem Steinboden des Großen Saales und jeder hing seinen eigenen traurigen Gedanken nach.
Zwei Mäuse von Redwall waren am selben Tag gestorben.
Jessica Eichhorn saß da und hielt den Kopf in den Pfoten. Herr Eichhorn hatte den untröstlichen Schweigenden Sam ins Bett gebracht. Jessica hatte dem Abt und dem Rat genau erklärt, wie Matthias zusammen mit dem Spatzen vom Dach gefallen war. Die beiden waren nicht senkrecht hinuntergestürzt, sondern von kräftigen Windböen zur Seite gefegt worden, sodass sie aus Jessicas Blickfeld verschwunden waren. Niemand wusste, wo Matthias’ Körper jetzt lag.
Sobald sie wieder Boden unter den Füßen hatte, hatte die Eichhörnchenfrau Suchtrupps losgeschickt.
Sie hatten die ganze Gegend durchkämmt, bis es zu dunkel geworden war, um weiterzumachen. Sie hatten Stunde um Stunde vergeblich damit verbracht, das Gelände von Redwall und den Wald von Mossflower zu durchstreifen.
Voller Mitgefühl versuchte der ehrwürdige Abt, das traurige Eichhörnchen zu trösten: »Jessica, es ist doch nicht deine Schuld. Es gab nichts, was du noch hättest tun können, meine Freundin. Niemand kann einen Sturz aus solch einer Höhe überleben. Morgen werden wir die Suche wieder aufnehmen, dann müssen wir meinen alten Gefährten Methusalem begraben. Armer Mäuserich, er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun, er hat ein so grausames Ende einfach nicht verdient.«
Der Abt zeigte kopfschüttelnd auf den Wandteppich. »Schau es dir an, es ist das letzte gute Werk meines alten Pförtners. Er hat dafür gesorgt, dass Martin seinen Ehrenplatz wieder einnimmt. Methusalem war der gütigste Mäuserich, den ich je kannte. Das Leben zweier Freunde wurde auf tragische Weise verschwendet: Der eine hat seine Zeit damit verbracht, Erkenntnisse zu gewinnen und für uns zu sammeln,
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