Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
Der Baum wurde bei einem Sturm entwurzelt und begrub den Kerl unter sich. Er wäre gestorben, wenn ich nicht dahergekommen wäre, die Erde unter ihm fortgegraben und ihn hervorgezogen hätte. Er kam herausgeschossen wie ein Korken aus einer Flasche. Er war ebenfalls Offizier, versteht Ihr? Konnte doch nicht zusehen, wie ein Kamerad platt gedrückt wurde, sein Gesicht war sowieso schon flach genug.«
»Also brauche ich ihm nur diesen Orden zu zeigen?«, fragte der junge Mäuserich.
Basilius lachte über die Naivität seines Freundes. »Ganz richtig, aber wenn Ihr Euch nicht lächerlich machen wollt, solltet Ihr dafür sorgen, dass Ihr ihm nicht unter die Augen tretet, bevor er nicht den Orden gesehen hat. Sagt dem alten Prellbock, dass Ihr von Basilius Hirsch Hase kommt. Und vor allem ist wichtig, dass Ihr die Form wahrt! Achtet darauf, ihn mit seinem korrekten Titel ›Hauptmann‹ anzusprechen. Ach ja, und dann hätte ich natürlich gerne irgendwann den Orden zurück. So ein fehlender Orden ruiniert mir den Anblick meines besten Waffenrocks.«
Matthias nahm den Orden in Augenschein. Es war ein silbernes Kreuz, dessen Mitte eine Eule mit ausgebreiteten Schwingen zierte. Das Band bestand aus verschlissener weißer Seide. Der Orden war zwar alt, glänzte aber hell im Sonnenlicht.
»Danke, Basilius«, sagte er. »Ihr bekommt ihn ganz bestimmt wieder. Muss ich sonst noch irgendetwas wissen?«
»Nicht viel. Denkt nur an das, was ich gesagt habe, alter Knabe. Dieser Hauptmann Schnee jagt übrigens des Nachts. Er schläft tagsüber wahrscheinlich mit einem geöffneten Auge in irgendeinem alten Baum. Merkt Euch meine Worte gut, Jungchen, dem alten Schnee entgeht nichts. Er kennt jedes Lebewesen in seinem Revier, weiß, wo es sich aufhält und welche Pfade es benutzt, einfach alles. Pah, es heißt ja schließlich nicht umsonst, dass Eulen weise sind. Trotzdem ist er ganz schön vertrottelt, da lässt er sich einfach unter einem Baum begraben. Behaltet ihn stets im Auge. Wenn er Euch bei einem Schläfchen erwischt, wird er Euch mit Haut und Haaren samt Orden zerkauen und hinunterschlucken.«
Basilius trank sein Bier aus und gähnte. »Jetzt seht zu, dass Ihr eine Mütze voll Schlaf bekommt, Matthias. Ich für meinen Teil bin nach dem kleinen Imbiss ganz ermattet. Ich spüre auch schon wieder meine alte, ehrenhafte Kriegswunde. Ich muss mich jetzt ein wenig hinlegen.«
Mit diesen Worten schloss Basilius die Augen. Schon bald schnarchte er leise vor sich hin. Matthias sah ein, dass es nichts mehr zu sagen gab, und beschloss, sich ebenfalls etwas auszuruhen. Was ist Basilius Hirsch Hase doch für ein außerordentlicher alter Recke, dachte der Mäuserich bei sich, während der Schlaf ihn übermannte.
Kurz nach zwölf Uhr wachte Matthias auf. Das Zimmer wurde von mittäglichem Sonnenlicht durchflutet. Basilius lag ausgestreckt auf dem Rücken und schnarchte laut. Matthias spürte zwar noch ein Pochen in seiner Schulter, fühlte sich aber dennoch gut und erfrischt – genug erholt, um sich wieder auf den Weg zu machen. Er wusste allerdings, dass er ganz im Geheimen vorgehen musste. Wenn der Abt oder Kornblume oder sonst irgendjemand von seinem Plan Wind bekam, hatte er keine Chance. Sie würden schon dafür sorgen, dass er bis auf weiteres das Bett hütete.
Leise stand er auf, zog sich an und hängte sich seine Sandalen an den Riemen um den Hals. Er sammelte die Essensreste vom Tisch und verstaute sie in einem sauberen Kopfkissenbezug. Irgendjemand war sehr aufmerksam gewesen und hatte seinen Dolch in das Fach seines Nachtschrankes gelegt. Er war wohl auf dem Boden im Großen Saal gefunden worden. Matthias schaute sich noch einmal gut um und sein Blick fiel auf eine brauchbare kräftige Stange, die wahrscheinlich benutzt wurde, um damit die Fenster zu öffnen oder die Gardinen beiseite zu schieben. Er beschloss, dass er dafür sicherlich irgendwann einmal Verwendung haben würde, und nahm sie mit.
Ganz vorsichtig öffnete er die Tür einen Spaltbreit, schloss sie jedoch sofort wieder, als er den Abt und Bruder Alf vorbeischlurfen sah.
Matthias konnte Alfs Stimme hören: »Ich habe gerade vor zehn Minuten bei ihnen hineingeschaut, ehrwürdiger Vater. Sie schlafen beide tief und fest wie Eichhörnchen im Winter. Vor heute Abend werden sie bestimmt nicht aufwachen.«
Die Schritte hallten den Gang entlang und wurden leiser. Matthias stahl sich aus dem Zimmer und schlich in entgegengesetzter Richtung davon.
Es
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