Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
unentwegt. Sie bräuchte ein ganz bestimmtes Kraut, das sie nicht dabeihätte. Es könne nur im Dunkel der Nacht im Wald von Mossflower gefunden werden.
Cluny hörte sich die Ausreden der Füchsin an, wusste aber sehr wohl, dass sie nur nach einem Vorwand suchte, um ihre Freiheit zu erhalten. Er tat so, als denke er darüber nach, und weidete sich an Selas hoffnungsvollem Gesichtsausdruck.
»Hmm, ich seh ja ein, dass du dieses Kraut brauchst, warum schickst du also nicht deinen Sohn Hühnerhund?«
Sela war nie um eine passende Antwort verlegen. »Nein, nein, Herr, ich fürchte, das würde nichts nützen. Er ist zu jung und unerfahren. Hühnerhund würde gar nicht wissen, wo er suchen muss.«
Cluny nickte verständnisvoll. »Tja, da wirst du wahrscheinlich Recht haben. Ich denke mal, ich werde ein Auge zudrücken müssen. Du kannst in den Wald gehen und nach diesem wichtigen Kraut suchen. Aber sei gewarnt, Füchsin! Es werden zwei Ratten an deiner Seite sein. Eine falsche Bewegung und ich werde mit deinem buschigen Schwanz den Kragen meines Kriegsumhangs verzieren. Verstanden?«
Sela bewegte ihren Kopf nachdrücklich auf und ab. »Selbstverständlich, Herr. Warum sollte ich denn ein falsches Spiel mit Euch treiben? Wenn ich Euch erst einmal geheilt habe und Redwall eingenommen ist, erwartet mich doch ein beträchtlicher Anteil an der Beute.«
Der gewaltige Schwanz schlängelte sich hervor und streichelte die Füchsin. »Natürlich, meine Freundin. Wie dumm von mir, das zu vergessen.«
Cluny brachte tatsächlich ein Lächeln über die Lippen. Sela schauderte es.
An jenem Abend verließ Sela in Begleitung von Gierschlund und Reißzahn die Kirche. Insgeheim hätte sie einen Freudentanz aufführen mögen. Nur zwei Ratten zur Bewachung! So gut, wie sie Mossflower kannte, konnte sie ihnen mit Leichtigkeit eine Viertelstunde entwischen.
In der Kirche hatte Cluny sich währenddessen von seinem Bett erhoben. Er unternahm einen Erkundungsgang. Gestützt auf sein Banner, stakste er vorsichtig durchs Zimmer.
Sehr gut! Er würde schon bald wieder ganz der Alte sein.
Cluny sagte laut zu dem Bild von Martin, das er an seine Standarte gebunden hatte: »Ha, die Füchsin wird meinen hirnlosen Wachposten nur allzu leicht entwischen. Dann kann sie deinem Abt meinen falschen Plan übergeben. Es läuft alles wie am Schnürchen. Ein ziemlicher Reinfall für deine Seite, was, Maus?«
Der Wald von Mossflower lag in der Dämmerung. Sela sog die Luft ein. Sie blickte zum Himmel hinauf. Es würde bald dunkel sein und dann würde sie sich mit dem Mäuseabt an dem alten Baumstumpf treffen.
Gierschlund und Reißzahn war unbehaglich zumute. Jetzt hatte Sela sie schon eine Stunde lang durch Brennnesseln, Mückenschwärme und sumpfiges Gelände geführt. Sie stolperten dahin und schlugen mit Entermesser und Speer auf das Unterholz ein.
»Ich glaube, wir sind irgendwo in der Nähe der Mäuseabtei«, sagte Reißzahn.
»Halt die Klappe! Behalt die Füchsin im Auge«, knurrte Gierschlund.
»Ich wünschte, wir hätten Laternen mitgenommen«, jammerte Reißzahn.
Gierschlund, dessen Nervenkostüm bereits äußerst schwach war, riss der Geduldsfaden. Er packte seinen wehleidigen Kumpanen und schüttelte ihn kräftig durch. »Jetzt hör zu, Blödmann! Wenn du nicht sofort aufhörst zu stöhnen, werde ich dir mit meinem Entermesser die Zunge herausschneiden, kapiert?«
Reißzahn befreite sich aus dem Klammergriff. Wutentbrannt stieß er mit seinem Speer nach Gierschlund. »Wenn du es wagst, mit deinem stumpfen alten Brotmesser auf mich loszugehn, dann schlitz ich dich wie der Blitz auf!«
»So, wirst du das?«
»Worauf du dich verlassen kannst, Klugscheißer!«
»Dann nimm das, Großmaul!«
»Autsch! So, du schlägst mich. Dir werd ichs zeigen!«
Sie begannen, einander zu treten, zu beißen und mit den Fäusten zu bearbeiten und stürzten schließlich in einen Dornbusch. Klauen, Schwänze und Zähne kamen zum Einsatz. Mehrere Minuten lang flogen die Fetzen, bis Gierschlund als Sieger aus dem Kampf hervorging. Seine Nase blutete und er hatte einen Zahn verloren, aber er war einfach besser in Form als sein Gegner.
Reißzahn bot einen jämmerlichen Anblick, als er aus dem niedergewalzten Gebüsch kroch. Er hatte Veilchen auf beiden Augen, aus seinem linken Ohr war ein großes Stück herausgerissen und sein ganzer Körper war über und über mit langen Kratzern und Dornen bedeckt. Er beugte sich schmerzverzerrt vornüber, um seinen
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