Redwall 02 - Mossflower - In den Fängen der Wildkatze
Haufen, teils Landstreicher, teils Schmarotzer, zum größten Teil aber Diebe. Alle waren schwer bewaffnet und trotz ihres zerlumpten Äußeren nicht zu unterschätzen. Mit Nahrung waren sie bestens versorgt: Sie hatten Fische, Vögel und das dazu passende Gemüse dabei. Mit List, Tücke und mörderischer Gewalt war es ihnen gelungen, auf ihrer Suche nach einer wärmeren Gegend und einem leichteren Leben das unendliche Nordland zu durchqueren.
Fluch war es leid, ständig auf den Pfoten zu sein und immer weiterzuziehen, und so hielt er Ausschau nach einer einträglichen, wohlhabenden kleinen Gemeinde, über die er herrschen konnte, ohne dass ihm großartig Widerstand geleistet wurde.
Dann erblickte er Kotir. Eine eindrucksvolle Ruine, die zwar schon bessere Zeiten gesehen hatte, aber durchaus Möglichkeiten bot. Sie hatte im Rücken den Wald und zur Vorderseite hin die Ebene, dabei lag sie praktisch direkt an einer Straße, die von Durchreisenden benutzt wurde – sie war wie ein Traum, der sich erfüllte.
Fluch gab seiner Bande den Befehl im Graben am Straßenrand außer Sichtweite der Ruine ihr Lager aufzuschlagen, dann machte er sich ganz allein daran, Kotir und seine Umgebung zu erkunden. Je mehr er von Kotir zu Gesicht bekam, desto besser gefiel es ihm. Wenn er sich an diesem Ort erst einmal Einlass verschafft hatte, würde es keine Winter im eisigen Nordland für ihn mehr geben.
Als er so zielstrebig an dem nach Süden gelegenen Waldsaum entlangschritt, lief er geradewegs Zarina in die Arme, die soeben aus dem Wald zurückkehrte. Für einen Außenstehenden wäre es schwer zu sagen gewesen, wer von den beiden nun überraschter war, der Fuchs oder die Wildkatze. Während Zarina in Windeseile einen Pfeil an ihre Bogensehne legte, fuhr Fluchs Pfote herunter zu dem gebogenen Schwert, das er an seiner Seite trug. Einen Augenblick lang herrschte Stillschweigen. Beide standen ruhig da und versuchten die Situation in den Griff zu bekommen. Schließlich wies Fluch mit einer Pfote auf die Festung.
»Wem gehört dieses Gemäuer?«
»Mir. Wer bist du?«, wollte Zarina in überheblichem Tonfall wissen.
»Ich werde Fluch genannt. Ich bin ein Kämpfer, aber wenn es einen einfacheren Weg gibt zu bekommen, was ich will, dann versuche ich immer erst einmal den.«
»Hmm, ein Kämpfer. Mein Name ist Zarina, Königin der Tausend Augen. Dies hier ist mein Hauptquartier, Kotir.«
»Tausend Augen«, sagte Fluch nachdenklich. »Ich kannte nur einen Einzigen, der so hieß, den alten Verdauga Grünauge, einen Wildkater.«
»Ja, er war mein Vater.«
»War?«
»Verdauga ist tot. Ich allein herrsche jetzt hier. Wenn du willst, kannst du in meine Dienste treten. Kotir kann Kämpfer gut gebrauchen. Bist du allein oder hast du noch andere dabei?«
»Wir sind sechzig. Ausgebildete Krieger, Füchse, Ratten und Wiesel.«
»Ich traue Füchsen nicht über den Weg. Warum sollte ich dir trauen?«
»Pah, wer traut denn heutzutage überhaupt noch jemandem?«, schnaubte Fluch. »Wildkatzen mag ich auch nicht so besonders. Ich habe schon an der Seite deines Vaters gekämpft, aber auch gegen ihn.«
»Daran besteht kein Zweifel, aber das ist jetzt Vergangenheit. Du hast gesagt, dass du sechzig Krieger befehligst. Unter welchen Bedingungen wärest du bereit in den Dienst von Kotir zu treten?«
»Mach mir ein Angebot.«
»Ich werde noch mehr als das tun. Ich werde dir eine Garantie geben, Fluch«, erklärte Zarina dem Fuchs. »Ich schlage mich hier mit so ein paar Kreaturen herum – Otter, Eichhörnchen, Mäuse, Igel … Waldbewohner eben. Früher haben sie meiner Familie gedient, jetzt ziehen sie es vor, im Wald von Mossflower zu leben und mir Widerstand zu leisten. Wenn wir sie erst einmal aus ihrem Versteck gescheucht und versklavt haben, dann biete ich dir einen gleichwertigen Platz an meiner Seite. Dann werden wir gemeinsam über Mossflower herrschen.«
Fluch nahm seine Pfote von seinem Schwertgriff. »Einverstanden! Ich nehme dich beim Wort.«
»Und ich dich bei deinem«, antwortete Zarina und ergriff die angebotene Pfote.
Mit ihren falschen Augen schenkten sie einander ein unechtes Lächeln.
Zarina konnte sich davon überzeugen, dass Fluch ihr zumindest über seine Gefolgschaft die Wahrheit erzählt hatte. Sie waren zwar zerlumpt und verwahrlost, aber von Kopf bis Fuß richtige Kämpfer.
Sie betraten Kotir gemeinsam.
Fluch hatte das Gefühl, als sei dieser Ort nur für ihn geschaffen worden.
Die uniformierten Soldaten von Kotir
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