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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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da und wartete. Verwundet, aber lebendig. Zunehmend sicher, daß ich Glück gehabt hatte.
    Wenn ich nicht tödlich verletzt war, kam ich mit dem übrigen schon zurecht. Vertrautes Gebiet. Nervtötend, aber bekannt.
    Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Konnte meine Uhr nicht sehen. Ob ich wohl meinen Arm bewegen kann, dachte ich. Nur meinen Arm. Das könnte ich schaffen, wenn ich vorsichtig war.
    Es hörte sich einfach an. Der totale Krampf blieb aus, aber die gezielte Meldung an meinen Arm führte nur zu einem Zucken. Verrückt. Nichts funktionierte. Alle Leitungen blockiert.
    Nach einer weiteren langen Pause versuchte ich es noch einmal. Versuchte es zu heftig. Der Krampf kam wieder, raubte mir den Atem, umklammerte mich wie ein Schraubstock, am schlimmsten jetzt im Magen, nicht so heftig in den Armen, aber starr, schrecklich, furchterregend, zu lange anhaltend.
    Ich lag die ganze Nacht und weit in den Morgen hinein auf dem Boden. Die Blutlache unter meinem Kopf wurde klebrig und trocknete ein. Mein Gesicht fühlte sich an wie ein klumpig ausgestopftes Kissen. Mein Mund war voller Schnitte, die sich entzündet hatten, und mit der Zunge konnte ich die gezackten Ränder abgebrochener Zähne fühlen.
    Schließlich hob ich den Kopf vom Boden.
    Kein Krampf.
    Ich lag im hinteren Teil der Diele, nicht weit von der Treppe entfernt. Zu dumm, daß das Schlafzimmer oben war. Genau wie das Telefon. Ich könnte Hilfe herbeirufen … wenn ich die Treppe hinaufkäme.
    Vorsichtig versuchte ich, mich zu bewegen, voller Angst vor den möglichen Folgen. Bewegte meine Arme, meine Beine, versuchte, mich aufzusetzen. Es ging nicht. Meine Schwäche war entsetzlich. Meine Muskeln zitterten. Ich schob mich ein paar Zentimeter über den Boden, halb im Liegen. Kam bis zur Treppe. Hüfte auf dem Dielenboden, Schulter auf den Stufen, Kopf auf den Stufen, Arme vor Schwäche versagend … der Krampf kam wieder.
    Himmel nochmal, dachte ich, wie oft noch?
    Eine Stunde später hatte ich es mit der Hüfte bis zur dritten Stufe geschafft und erstarrte wieder in einem Krampf. Weit genug, dachte ich dumpf. Nicht weiter. Es war auf jeden Fall bequemer, auf der Treppe zu liegen als auf dem Boden, solange ich stillhielt.
    Ich hielt still. Dankbar, schwach, träge still. Eine Ewigkeit.
    Jemand klingelte an der Haustür.
    Wer es auch war, er war mir lästig. Wer es auch war, es würde bedeuten, daß ich mich bewegen mußte. Ich wollte keine Hilfe mehr, nur noch Ruhe und Frieden. Ruhe und Frieden würden mich wieder herstellen mit der Zeit.
    Es klingelte noch einmal. Geh weg, dachte ich. Ich will allein sein.
    Eine Zeitlang glaubte ich, mein Wunsch wäre in Erfüllung gegangen, aber dann hörte ich jemand hinterm Haus, der durch die Hintertür hereinkam. Die kaputte Hintertür, die auf die kleinste Berührung hin aufging.
    Nicht den Relgan, dachte ich flehend. Bitte laß es nicht den Relgan sein … nicht er.
    Er war es natürlich nicht. Es war Jeremy Folk.
    Es war Jeremy Folk, der zögernd eintrat mit einem: »Ähm …« und »Sind Sie da …« und »Philip?« und wie vom Schlag getroffen stehenblieb, als er die Diele erreichte.
    »Mein Gott«, sagte er fassungslos.
    Ich sagte: »Hallo.«
    »Philip.« Er beugte sich über mich. »Ihr Gesicht …«
    »Ja.«
    »Was soll ich machen?«
    »Nichts«, sagte ich. »Setzen Sie sich … auf die Treppe.« Meine Lippen und meine Zunge fühlten sich steif an. Wie bei Marie, dachte ich, genau wie bei Marie.
    »Aber was ist passiert? Sind Sie beim Rennen gestürzt?«
    Er setzte sich auf die unterste Stufe zu meinen Füßen, die Beine schlaksig angewinkelt.
    »Aber … das Blut. Ihr ganzes Gesicht … ist völlig blutverschmiert. Ihre Haare. Alles.«
    »Macht nichts«, sagte ich. »Es ist angetrocknet.«
    »Können Sie sehen?« sagte er. »Ihre Augen sind …« Er stockte, hielt es für besser zu schweigen, wollte es mir lieber nicht sagen.
    »Mit einem kann ich sehen«, sagte ich. »Das reicht.« Er wollte mich natürlich woanders hinbringen, das Blut abwaschen, möglichst einen Normalzustand herstellen. Ich wollte bleiben, wo ich war, ohne groß darüber zu diskutieren. Hoffnungsloser Wunsch. Ich konnte ihn nur dazu bringen, mich in Ruhe zu lassen, indem ich ihm von den Krämpfen erzählte. Sein Entsetzen verstärkte sich. »Ich rufe einen Arzt.«
    »Hören Sie bloß auf«, sagte ich. »Es geht schon. Reden Sie, wenn Sie wollen, aber tun Sie nichts.«
    »Schön …« Er gab auf. »Wollen Sie etwas? Tee oder

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