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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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dem kosmopolitischen Akzent war sanft … und flehend.
    »Bitte«, sagte sie. »Bitte …«
    »Bitte … was?«
    »Wie kann ich Sie nur bitten?« Sogar in ihrer Not war sie umwerfend attraktiv, dachte ich. Ich hatte das bis heute nur gesehen, nicht gefühlt, da sie mir bislang nur ein flüchtiges, uninteressiertes Lächeln geschenkt hatte. Aber jetzt, da sie die volle Stromstärke auf mich ausrichtete, ertappte ich mich bei dem Gedanken, daß ich ihr helfen würde, wenn ich könnte.
    Sie sagte drängend: »Bitte geben Sie mir … was ich für George Millace geschrieben habe.«
    Ich lag wortlos da und schloß mein ausdauerndes Auge. Sie mißdeutete meine Passivität, die in Wahrheit auf Ahnungslosigkeit zurückzuführen war, und überschüttete mich mit einer Flut leidenschaftlichen Bettelns.
    »Ich weiß, daß Sie denken … wie ich Sie fragen kann, nachdem Ivor Sie so zugerichtet hat … wie ich auch nur das geringste Entgegenkommen erwarten kann … oder Vergebung … oder Freundlichkeit.« Aus ihr sprach ein Wirrwarr aus Scham und Verzweiflung und Wut und Beschwörung, jede Empfindung erhob sich wie eine Welle und ebbte ab, um der nächsten Platz zu machen. Es war nicht eben die leichteste Aufgabe, jemanden um einen Gefallen zu bitten, der vom eigenen Vater … Ehemann? … Liebhaber? … halb massakriert worden war, aber sie tat ihr Bestes. »Bitte, bitte, ich flehe Sie an, geben Sie sie mir zurück.«
    »Ist er Ihr Vater?« sagte ich.
    »Nein.« Ein Hauch, ein Flüstern, ein Seufzer.
    »Was dann?«
    »Wir haben … eine Beziehung.«
    Was du nicht sagst, dachte ich trocken.
    Sie sagte: »Bitte geben Sie mir die Zigaretten.«
    Die was? Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
    Ich bemühte mich, nicht zu murmeln, meine schwere Zunge geschmeidig zu machen, und sagte: »Erzählen Sie mir von … Ihrer Beziehung … zu den Relgan … und von … Ihrer Beziehung zu Lord White.«
    »Wenn ich’s Ihnen erzähle, geben Sie’s mir dann? Bitte, bitte , ja?«
    Sie schloß aus meinem Schweigen, daß sie zumindest hoffen konnte. Sie verhaspelte sich in Erklärungen, die Worte purzelten übereinander, immer wieder durchsetzt von stockenden Pausen, und von vorne bis hinten voller Bedauern und Rechtfertigung, mit einem deutlichen Beigeschmack von ›Ich Ärmste, man hat mich ausgenutzt, ich kann nichts dafür.‹
    Ich öffnete meinen Augenschlitz, um sie zu beobachten.
    »Ich bin seit zwei Jahren mit ihm zusammen … nicht verheiratet, so eine Beziehung war es nie … nichts Häusliches, nur …«
    Nur Sex, dachte ich.
    »Sie reden wie er«, sagte ich.
    »Ich bin Schauspielerin.« Sie wartete leicht herausfordernd auf meinen Widerspruch, aber da gab es nichts zu widersprechen. Eine sehr gute Schauspielerin, wenn man mich fragte. Gewerkschaftsausweis? dachte ich hämisch, hatte aber keine Lust zu fragen.
    »Letzten Sommer kam Ivor eines Tages mit einer fantastischen Idee an«, sagte sie. »Er schäumte über vor Selbstzufriedenheit … wenn ich mitmachte, würde er dafür sorgen, daß es nicht zu meinem Schaden wäre … Ich meine, er meinte …« Sie unterbrach sich, aber es war klar, was er gemeint hatte: nicht zu ihrem finanziellen Schaden … hübscher Euphemismus für eine saftige Bestechung.
    »Er hat gesagt, bei den Rennen gebe es einen Mann, der gerne flirte. Vorher hatte er mich nie zur Rennbahn mitgenommen. Aber er hat mich gefragt, ob ich mit ihm hingehen und mich als seine Tochter ausgeben und dem Mann den Kopf verdrehen wolle. Es sollte ein Scherz sein, verstehen Sie, Ivor hat gesagt, der Mann hätte einen untadeligen Ruf und er wolle ihm einen Streich spielen … Das hat er jedenfalls gesagt. Er hat gesagt, dem Mann sei deutlich anzumerken, daß er auf ein Sexabenteuer aus sei … so, wie er den hübschen Mädchen nachsah, ihre Arme tätschelte, Sie wissen schon, was ich meine.«
    Ich dachte, wie sonderbar es sein mußte, ein hübsches Mädchen zu sein und es ganz normal zu finden, daß Männer in mittleren Jahren auf der Suche nach Sex durch die Gegend liefen, und damit zu rechnen, daß sie einem die Arme tätschelten.
    »Also sind Sie mitgegangen?« sagte ich.
    Sie nickte. »Er war süß … John White. Es war ganz leicht. Ich meine … er hat mir gefallen. Ich habe einfach gelächelt … und er hat mir gefallen … und er … also … ich meine, es stimmte, was Ivor gesagt hatte, er war auf der Suche – und ich war zur Stelle.«
    Sie war zur Stelle, dachte ich, hübsch und nicht zu beschränkt und bemüht, ihn

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