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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Anweisungen für das Schweppes konzentrieren?«
    »Aber der Hund«, jammerte sie.
    »Zum Teufel mit dem Hund.« Er hatte noch minutenlang über sie gegeifert, und dann war er auf die Straße hinausgegangen und hatte sich weinend über seinen plattgewalzten Hund geworfen. Harold war vermutlich alles, was ich nicht war. Er war launisch, emotional, bombastisch, berstend vor überschäumenden Gefühlen, voller Zorn und Liebe und Tücke und Begeisterung. Wir hatten nur eins gemeinsam: unsere grundsätzliche Vorstellung davon, wie man die Dinge richtig anpackte, und diese stillschweigende Übereinkunft bewirkte, daß wir im Grunde ein stabiles, friedliches Verhältnis hatten. Er konnte mich wild anschreien, erwartete aber, daß mir das nichts ausmachte, und weil ich ihn gut kannte, machte es mir nichts aus. Andere Jockeys und Trainer und etliche Zeitungsreporter hatten schon oft in unterschiedlichen Abstufungen von Empörung oder Humor zu mir gesagt: »Wie halten Sie das bloß aus?«, und sie bekamen die einzig wahre Antwort: »Ohne Schwierigkeiten«.
    An diesem bewußten Sonntag war die heilige Stunde schon gestört, bevor sie überhaupt anfangen konnte, denn Harold hatte Besuch. Ich betrat sein Haus von der Stalltür her und ging in das gemütlich überladene Wohnzimmer-Büro, und dort saß Victor Briggs in einem Sessel.
    »Philip!« Harold begrüßte mich mit einem Lächeln. »Schenk dir einen Drink ein. Wir wollten uns gerade das Video von gestern ansehen. Setz dich. Bist du soweit? Ich schalte ein.«
    Victor Briggs nickte mir mehrmals anerkennend zu und schüttelte mir die Hand. Keine Handschuhe, dachte ich. Kalte, bleiche, trockene Hände, ein Händedruck ohne jede Aggressivität. Da er keinen Hut aufhatte, sah man sein dichtes, schwarzes, glattes Haar, auf der Stirn deuteten sich Geheimratsecken an. Seinen schweren blauen Mantel hatte er abgelegt, und darunter trug er einen schlichten schwarzen Anzug. Auch im Haus behielt er seine verschlossene Miene bei, als fürchtete er, man könnte ihm seine Gedanken ansehen, aber insgesamt strahlte er eine spürbare Zufriedenheit aus. Er lächelte nicht, es war nur eine Stimmung.
    Ich riß eine Coladose auf und goß mir etwas in ein Glas.
    »Trinken Sie keinen Alkohol?« fragte Victor Briggs.
    »Champagner«, sagte Harold. »Den trinkt er, stimmt’s, Philip?« Er war blendender Laune. Seine Stimme und Gegenwart verstärkte die warmen rotbraunen Töne des Zimmers, brachte sie förmlich zum Klingen.
    Harolds rotbraunes Haar stand in drahtigen Locken von seinem Kopf ab, so ungebändigt wie seine Natur. Er war zweiundfünfzig Jahre alt und sah zehn Jahre jünger aus, ein ein Meter achtzig großes, stämmiges, Muskelpaket, beherrscht von einem markanten, aber mehrdeutigen Gesicht, das eher rundlich als kantig war.
    Er schaltete den Videorecorder ein und lehnte sich in seinen Sessel zurück, um sich Daylights Debakel beim Sandown Handicap-Hindernisrennen anzusehen, so zufrieden, als hätte er das Grand National gewonnen. Nur gut, daß keiner von der Rennleitung das mitkriegte, dachte ich. Die Freude des Trainers am Versagen seines Pferdes war nicht zu übersehen.
    Die Aufzeichnung zeigte mich auf Daylight auf dem Weg zum Start, beim Aufstellen und Starten. Die Wetten stehen vier zu eins für den Favoriten, sagte der Kommentator; einmal um den Parcours, und er hat den Sieg. Tadellose Sprünge über die ersten beiden Hindernisse. Sicher und kraftvoll auf der Steigung an den Tribünen vorbei. Daylight knapp in Führung, das Tempo bestimmend, aber alle fünf Pferde dicht gedrängt. Oben in die Kurve, ganz hart an den Rails … schneller bergab. Anreiten des dritten Hindernisses … alles sieht gut aus … dann die seitliche Drehbewegung in der Luft, das Stolpern bei der Landung, und die Gestalt im rotblauen Dress rutscht am Hals des Pferdes herunter und landet zwischen seinen Beinen. Ein gewaltiges Aufstöhnen der Menge und die unbeteiligte Stimme des Reporters: »Daylight ist gefallen und Little Moth hat die Führung übernommen …«
    Das Rennen ging über in ein schwerfälliges, mäßiges Finish, dann sah man eine Wiederholung von Daylights Ausscheiden, dazu der nachträgliche Kommentar des Reporters: »Sie sehen, wie das Pferd einen zusätzlichen Schritt einlegt und damit Philip Nore nach vorne schleudert … beim Aufkommen duckt das Pferd den Kopf und läßt dem Jockey keine Chance … der arme Philip Nore klammert sich fest … aber es ist hoffnungslos … Pferd und Jockey

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