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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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unverletzt.«
    Harold stand auf und schaltete den Apparat aus. »Meisterhaft«, sagte er und strahlte mich an. »Ich hab es mir zwanzig Mal angesehen. Man merkt absolut nichts.«
    »Keiner hat Verdacht geschöpft«, sagte Victor Briggs. »Einer der Stewards hat zu mir gesagt: ›Was für ein verdammtes Pech.‹« Innerlich lachte Victor Briggs, ein Lachen, das nicht an die Oberfläche kam, aber in seiner Brust bebte. Er nahm einen großen Umschlag, der neben seinem Gin Tonic gelegen hatte, und hielt ihn mir hin. »Hier ist mein Dankeschön, Philip.«
    Ich sagte trocken: »Nett von Ihnen, Mr. Briggs, aber es hat sich nichts geändert. Ich will fürs Verlieren nicht bezahlt werden … Tut mir leid.«
    Victor Briggs legte den Umschlag kommentarlos wieder hin, und nicht er, sondern Harold regte sich auf.
    »Nun spiel hier bloß nicht den Tugendbold«, sagte er und baute sich vor mir auf. »In dem Umschlag ist eine Menge Geld. Victor ist sehr großzügig. Nimm es und bedank dich bei ihm und halt die Klappe.«
    »Ich habe … meine Prinzipien.«
    »Deine dämlichen Prinzipien können mir gestohlen bleiben. Wenn’s darum geht, das Verbrechen zu begehen, bist du nicht so zimperlich, aber für die dreißig Silberlinge bist du dir zu fein. Du kotzt mich an. Und jetzt nimmst du das verdammte Geld, und wenn ich’s dir in die Fresse stopfen muß.«
    »Nur zu«, sagte ich.
    »Nur zu was?«
    »Stopf’s mir in die Fresse.«
    Victor Briggs mußte tatsächlich lachen; allerdings waren seine Lippen fest zusammengepreßt, als ich einen Blick auf ihn warf, als wäre ihm der Laut gegen seinen Willen entfahren.
    »Außerdem«, sagte ich zögernd, »bin ich nicht bereit, so etwas noch einmal zu machen.«
    »Du machst, was man dir sagt, verdammt und zugenäht«, sagte Harold.
    Victor Briggs erhob sich entschlossen, und plötzlich standen beide schweigend vor mir und sahen auf mich herab.
    Es dauerte einige Zeit, bis Harold mit ruhiger Stimme, die weit furchteinflößender war als sein Geschrei, sagte: »Du wirst tun, was man dir sagt, Philip.«
    Ich erhob mich jetzt ebenfalls. Mein Mund war trocken, aber ich sagte so unbeteiligt, so ruhig und so wenig provozierend wie möglich:
    »Bitte … verlangen Sie nie wieder so etwas von mir wie gestern.«
    Victor Briggs kniff die Augen zusammen. »Hat das Pferd Sie verletzt? Es hat Sie getreten … man sieht es auf dem Video.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Darum geht es nicht. Es geht ums Verlieren. Sie wissen, daß ich es hasse. Und ich möchte nicht, daß Sie … das noch einmal von mir verlangen.«
    Wieder Schweigen.
    »Hören Sie«, sagte ich. »Es gibt Unterschiede. Natürlich werde ich ein Pferd nicht überfordern, wenn es nicht hundertprozentig in Form ist und ein hartes Rennen es für die nächste Zeit ausschalten würde. Das ist keine Frage, das versteht sich von selbst. Aber so was wie gestern mit Daylight – nie wieder. Ich weiß, daß ich’s früher gemacht habe … aber gestern war das letzte Mal.«
    Harold sagte kalt: »Du gehst jetzt besser, Philip. Wir sehen uns morgen früh.« Und ich nickte und ging, und diesmal blieb der warme Händedruck aus, mit dem man mich begrüßt hatte.
    Was würden sie machen, fragte ich mich. Ich ging in der windigen Dunkelheit die Straße entlang von Harolds Haus zu meinem, wie ich es schon an hundert Sonntagen getan hatte, und fragte mich, ob es vielleicht das letzte Mal war. Wenn er wollte, konnte er jederzeit andere Jockeys auf seine Pferde setzen. Er war nicht verpflichtet, mir Rennen zu verschaffen. Ich galt als Selbständiger, weil ich pro Rennen von den Besitzern bezahlt wurde und nicht wöchentlich vom Trainer; und so was wie Untersuchungen wegen ›ungerechtfertigter Entlassung‹ gab es bei Selbständigen nicht.
    Ich konnte wohl kaum hoffen, daß sie mir das durchgehen ließen. Allerdings hatten sie Briggs’ Pferd drei Jahre lang ehrlich laufen lassen, warum also nicht auch in Zukunft? Und wenn sie auf Betrug bestanden, konnten sie sich ja irgendeinen armen jungen Trottel suchen, der am Anfang seiner Karriere stand, und ihn unter Druck setzen, wenn sie ein Rennen verlieren wollten. Alles törichte Wünsche. Ich hatte ihnen meinen Job wie einen Fußball vor die Füße gelegt, und wahrscheinlich kickten sie ihn jetzt gerade ins Aus.
    Es war schon komisch. Ich hatte nicht gewußt, daß ich sagen würde, was ich gesagt hatte. Es hatte sich herausgedrängt wie Wasser aus einer neuen Quelle.
    Ich hatte früher so viele Rennen geschmissen, nicht

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