Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Regenbogen-Welt (German Edition)

Regenbogen-Welt (German Edition)

Titel: Regenbogen-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
Vom Netzwerk:
Gold.
    Aber tief in ihm schlummerte auch der Wunsch, sich das rote Volk
untertan zu machen. Sie zu besiegen, sie zu unterwerfen. Sie zu zivilisieren.
    Claudius‘ Männer hatten mittlerweile die drei Schiffe Nina , Pinta und Santa Maria in eine Bucht steuern lassen, wo sie nicht
den neugierigen Blicken des roten Volkes preisgegeben waren. Danach galt es,
eine Strategie zu entwickeln, wie sie das Vertrauen der „Wilden” erweckten
konnten, um an die Information zu gelangen, woher das Gold stammte.
    Claudius‘ Blick war versperrt für den herben Charme der
Landschaft dieses neu entdeckten Kontinents und die Artenvielfalt, die er
beherbergte. Ebensowenig sah er die Freundlichkeit des roten Volkes. Er und
seine Männer behandelten sie wie Tiere, wie eine mindere Rasse. Seine
christliche Überheblichkeit ließ es zu, dass er den „Wilden” nur begrenzte
Lebensberechtigung zubilligte. Er bemitleidete sie wie Tiere, weil sie für ihn
arm, grauenhaft arm, waren. So nackt, wie sie herumliefen und nur notdürftig
ihre Scham bedeckten. So armselig, wie sie lebten. In ihren zugigen Zelten.
    Das rote Volk wiederum unterlag dem schrecklichen Irrtum, in
Claudius und seinen Männern tatsächlich Götter zu sehen.
    Beide Völker irrten.
    Doch nur dem roten wurde es zum Verhängnis.
     

               
    Claudius zog unruhig durch das Land. Längst zerrissen und
zerfahren in seinen Gedanken und Taten. Jose beobachtete das alarmierende
Verhalten seines Freundes mit wachsender Sorge. Er erkannte ihn manchmal nicht
mehr wieder. In Claudius hatte schon immer ein inneres Feuer geschwelt. Das ihn
vorangetrieben hatte. Aber jetzt uferte es aus. Entfachte auch die schlechten
Seiten in ihm. Daraus erwuchs eine Höllenglut, die seinen Charakter allmählich
vergiftete. Er war besessen. Besessen von dem Gold. Die Gier verfolgte ihn bis
in seine Träume, die ihn auf dem Weg durch das unbekannte Land begleiteten.
Wenn es Nacht wurde, sank Claudius in tiefen, bleiernen Schlaf, aus dem es kein
Entrinnen gab. Und immer wieder träumte er von einem unermesslichen Goldschatz.
Einer Stadt von großem Reichtum.
    Wenn er erwachte, streichelte er die geheimnisvolle Karte, die er
unter seinem Hemd verborgen trug. Die Karte, die ihm den Weg in das Eldorado
weisen sollte.
    Außer mit Jose konnte Claudius mit niemandem reden. Konnte keine
Menschenseele in das Geheimnis der Karte einweihen, denn die Männer der
Schiffsbesatzung waren allesamt furchtbare Schwätzer. Besonders wenn sie
Alkohol getrunken hatten, sponnen sie Seemannsgarn ohne Ende. Übertrieben
maßlos, und konnten nichts, rein gar nichts für sich behalten. Claudius mochte
die meisten seiner Männer nicht. Er war ohnehin nicht der Typ, der
Freundschaften schloss und pflegte. Jose war die einzige Ausnahme.
    Claudius ließ seinen Blick umherschweifen. Er blieb erst an
unheimlichen Schemen haften, die vom Mondlicht beschienen wurden. Die sich bei
näherem Hinsehen als gewaltige Säulenkakteen, die ihre grünen Arme in den
Himmel streckten, entpuppten. Dann glitt sein Blick über das Lager und die am
Boden liegenden Gestalten. Sie hatten sich nicht einmal die Zeit genommen,
behelfsmäßige Zelte aufzuschlagen. Aber das waren die Männer gewöhnt. Nach der
langen Seereise von Skorbut und anderen Krankheiten gezeichnet und geschwächt,
hatte Claudius ihnen nicht die geringste Verschnaufpause gegönnt. Kaltblütig
und gnadenlos hatte er sie vorangetrieben. Mit dem festen Vorhaben, sie nicht
an dem Reichtum zu beteiligen, wenn sie die Goldene Stadt erreichten. Das Gold
gehörte ihm, der spanischen Krone und allenfalls noch Jose.
    Claudius kam gar nicht erst auf den Gedanken, sich als Gast in
diesem Land zu fühlen und dem roten Volk den ihm gebührenden Respekt
entgegenzubringen. Solches Denken lag ihm völlig fern. Er gab sich der Illusion
hin, den „Wilden” den christlichen Glauben aufzuerlegen, ohne ihren besonderen
Charme und ihre Freundlichkeit, aber auch ihre Verbindung zur Natur
wahrzunehmen. Er sah nicht, dass sie bereits ihre eigenen Götter hatten. Nicht
nur seine Augen waren vernebelt, auch seine Seele. Sie nahmen nicht die
einmalige Chance wahr, die sich ihnen bot: Die Möglichkeit der
Völkerverständigung.
    Stattdessen wollte Claudius die Menschen unterwerfen. Damit hatte
das unaufhaltsame Sterben des roten Volkes und seiner Kultur bereits begonnen.  
     

     
    Sie kämpften sich durch das fremde Land. Je weiter sie sich von
der Küste mit ihrer frischen Brise entfernten,

Weitere Kostenlose Bücher