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Regenbogen-Welt (German Edition)

Regenbogen-Welt (German Edition)

Titel: Regenbogen-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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entgegen. „Warte es ab!“
     

     
    ... Das Hypnotische in den Schlangenaugen ließ Jose nicht los. Er
riss den Mund auf, doch der Schrei wollte seine Kehle, seine Seele, die zu Eis
erstarrt war, nicht verlassen.
    Der sich windende überdimensionalen Körper hob sich silbern
schimmernd – wie das Metall, das sie der Miene von Potosi entrissen hatten – am
Horizont ab. Während sie ihn immer noch ansah, verengten sich plötzlich ihre
Augen. Jose versuchte sich verzweifelt dem Blick zu entziehen. Aber es gelang
ihm nicht. Immer wieder tauchten diese Augen in dem tiefer werdenden Dunkel der
hereinbrechenden Nacht auf.
    „Was willst du von mir?”, stieß er hervor. Lauter als
beabsichtigt.
    Claudius drehte sich mit einem Ruck im Sattel herum. „Was ist
los?”, fragte er scharf. Er liebte solche Störungen nicht. Selbst dann nicht,
wenn sie von Jose kamen.
    Die Gefiederte Schlange verschwand. Von einer Sekunde auf die
andere. Jose hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Er war ärgerlich
auf sich selbst, dass ihm dieser Ausruf entschlüpft war. Wie sollte er Claudius
die Vision erklären? Denn mehr konnte es nicht gewesen sein. Die Schlange
konnte einfach nicht real gewesen sein. Dafür war sie zu groß und unheimlich
gewesen.
    „Nichts ist los”, stotterte er.
    „ Was willst du von mir ist also nichts”, knurrte Claudius
und sah seinen Freund skeptisch an. Er musterte ihn mit einem Funken
Verachtung, schämte sich zwar im Innersten dafür, konnte aber dennoch nicht
dagegen angehen. Er funkelte Jose noch einmal wütend an und zischte ihm dann
zu. „Reiß dich gefälligst zusammen. Du machst die Männer ja völlig nervös.” Dann
drehte er sich wieder im Sattel herum, gab seinem Pferd die Sporen und preschte
davon. Jose seufzte. Das war wieder einmal typisch für Claudius. Er war wie
einer der spanischen Kampfstiere. Kraftvoll, aber schnell reizbar. Sein
aufbrausendes Temperament hatte ihm und den Menschen in seinem Umfeld schon
immer Probleme bereitet. Deshalb hatte es jeden erstaunt, warum Claudius
ausgerechnet die Freundschaft zu Jose, dem sanften und sensiblen Künstler,
suchte. Aber vielleicht war es gerade deshalb. Claudius’ teilweise ungehobelte
Art wurde durch Joses Künstlerseele kompensiert. Und dadurch ergänzten sie sich
eigentlich gut.
    Eigentlich.
    In der letzten Zeit erwuchs eine Kluft zwischen ihnen, die mit
jedem getöteten Indianer und jedem zerstörten Dorf größer und tiefer wurde. Und
mittlerweile war sie unübersehbar. Auch wenn Jose tiefes Bedauern über den
wachsenden Verlust ihrer Freundschaft verspürte, war er dennoch erleichtert
darüber. Er wollte nicht so sein wie Claudius, auch wenn er nicht den Mut
hatte, sich offen gegen ihn aufzulehnen. Auch dieses Empfinden der eigenen
Feigheit trieb ihm ein schales Gefühl in den Mund.
     

    In den folgen Tagen und Nächten fand Jose keine Ruhe. Immer
wieder tauchte die Gefiederte Schlange auf. Und als er am Rand der geistigen Erschöpfung
stand, sprach sie eines Nachts in einem Traum zu ihm.
    „Ich bin Quetalcóatl, die Gefiederte Schlange. Man nennt mich
aber auch Kasur.”
    „Was willst du von mir.” Jose stöhnte angstvoll. Er wollte vor
der Schlange davonlaufen, stand aber wie festgeschweißt da.
    „Ich will deine Seele retten. Du bist nicht wie ER. Löse dich von
ihm, bevor es zu spät ist!”
    Jose keuchte und versuchte verzweifelt, seine Füße von der Stelle
zu bewegen. Er wusste längst, wen die Gefiederte Schlange gemeint hatte.
    Claudius!
    „Ich kann nicht”, stöhnte er.
    „Natürlich kannst du es. Du musst es nur wollen”, maßregelte ihn
die Schlange.
    „Wie stellst du dir das vor?” Jose lachte zynisch. „Soll ich mich
vor Claudius und sein Heer stellen und ihnen Einhalt gebieten?”
    Die Schlange zischelte.
    Jose hatte das Gefühl, als fahre ihre gespaltene Zungenspitze
über sein Gesicht. Er zuckte zurück, als habe ihn ein Pesthauch gestreift.
    „Du bist sein Freund, du kannst Einfluss auf seine Seele nehmen.
Versuche es, sonst machst du dich ebenso schuldig an dem Völkermord wie er!”
    „Nein!” Jose schrie gellend auf, als sich die Schlange bis dicht
vor sein Gesicht beugte. Er konnte förmlich ihren Atem riechen. Voller Panik
schlug er um sich. Versuchte das Traumbild zu zerstören und wachte endlich auf.
Schweißgebadet setzte er sich auf und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
Dann blickte er sich vorsichtig um und atmete erleichtert auf. Er hatte keinen
der Männer geweckt. Leise

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