Regenbogen-Welt (German Edition)
die
Gefiederte Schlange. Dieses Mal formierte sich der Priesterkönig völlig vor
Moczetuma. Halb Mann, halb Schlange mit seltsam gefiederten Schwingen, baute er
sich vor ihm auf. „Du selbst hast von der dunklen Seite der Macht gekostet und
bist ihrer bitteren Süße unterlegen. Daher bist du nicht schuldlos an der
verfahrenen Situation. Vor den Toren der Stadt lauert ein Mann, der noch
gefährlicher ist. Sieh dich vor!”
Quetalcóatl zischte und löste sich in Nichts auf. Einfach so.
Moctezuma dachte lange über die Worte der Gefiederten Schlange nach,
die ihn tief getroffen hatten. Er sollte allen Ernstes so sein wie dieser
Eroberer, der eine Riesenarmee um sich versammelt hatte? Es war Moctezuma, als
habe ihm jemand einen Spiegel vorgehalten. Er fühlte sich, als sähe er sein
wahres Gesicht zum ersten Mal. Und was er erblickte, gefiel ihm nicht. Ganz und
gar nicht. Doch er hatte nicht mehr genug Zeit, sich über die Fehler der
Vergangenheit Gedanken zu machen. Er musste handeln und kam zu dem Schluss,
dass Angriff die beste Verteidigung sei.
So stellte auch er in aller Stille ein Heer zusammen. Versuchte
die Spanier einzukesseln. Baute Fallgruben mit zugespitzten Pfählen, wohinein
die Gegner und ihre Pferde stürzen sollten. Aber schon bald sah er, dass er
ihnen im freien Gelände unterlegen war.
Als dann Claudius seinen „genialen” Plan umsetzte und seine
„Verbündeten” niedermetzelte, zerbrach etwas in Moctezuma. Ihm wurde grausam
vor Augen geführt: Er hatte die Eisenmänner und deren Hinterlist unterschätzt!
Moctezuma hatte resigniert und sich dem Druck und der List der
Eroberer gebeugt. Er traute ihnen zwar immer noch nicht, aber er öffnete ihnen
die Tore der Stadt. Fand sich mit dem Einzug der Fremden ab. Mehr noch, er zog
ihnen sogar in einer festlichen Prozession entgegen.
Jose erstarrte vor Ehrfurcht. Noch niemals in seinem Leben hatte
er einen Mann gesehen, der eine Schlacht beinahe verloren hatte und sich mit so
viel Stolz auf seinen Gegner zubewegte.
Claudius hingegen nahm diesen Stolz nicht wahr. Er wähnte sich am
Ziel seiner lang gehegten Wünsche. Mit süffisantem Grinsen blickte er Moctezuma
entgegen. Falls das überhaupt noch möglich war, schwoll seine Brust noch mehr
an.
Jose hasste seinen Freund in dem Augenblick.
Moctezuma, der Claudius gegenüberstand, hielt eine Ansprache, die
Joses Respekt noch mehr steigerte. Woher nimmt der Mann nur diesen Stolz?,
dachte er und betrachtete dessen kerzengerade Haltung.
Moctezuma hingegen meinte in der Zwischenzeit genug über die
profane Natur der Eroberer zu wissen. Und er war zu dem Schluss gekommen, dass
es besser war, den Feind in unmittelbarere Nähe – sprich unter Kontrolle – zu
haben. Mit straffen Schultern und fester Stimme empfing er Claudius und seine
Männer ...
„Der ist ja noch dümmer als ich dachte”, trötete Shash und
schüttelte fassungslos den Kopf. Maiistoh pflichtete ihm mit einem heftigen
Kopfnicken bei. Und auch Saha und Barb waren seiner Meinung.
„So dumm ist er gar nicht”, widersprach Ishtar ihnen.
Saha blickte ihn empört an. „Wie kannst du so etwas sagen?”,
entfuhr es ihr.
„Nun, Moctezuma hatte Claudius innerhalb der Stadt doch sicher
besser unter Kontrolle.” Ishtar sah Hiawatha Hilfe suchend an. „Habe ich
Recht?”
„Leider nur bedingt”, antwortete Iman stattdessen.
Barb war wieder sehr still. Saß mit gesenktem Kopf da. Erst als
sich Maiitsoh neben sie setzte, schaute sie auf. „Diese Menschen ... ich möchte
nie so werden wie sie.” Ihre Stimme zitterte.
„Das wirst du auch nicht.” Hiawatha lächelte sie väterlich an.
„Denn du hast die erste Erkenntnis schon erlangt. Dass du nicht so wie sie
werden willst. Doch jetzt seht das Ende der unrühmlichen Geschichte!”
... Spannung lag in der Luft. Wie vor einem Gewitter, das noch
nicht zur Entladung gekommen war. Moctezuma wies Claudius und seinen Männern
die besten Quartiere zu. Claudius war nicht der Einzige, der fassungslos den
Mund aufriss. All dieser Luxus, all diese Pracht. Claudius hätte schreien
können vor Glück. Endlich hatte er sein Eldorado gefunden!
Tagelang schweifte er durch die große Stadt, bis er das gefunden
hatte, wonach er so lange gesucht hatte. Was die Triebfeder für ihn gewesen
war, all die Jahre: Gold!
Bei seinen Streifzügen durch die Stadt stieß er zufällig auf eine
verborgene Schatzkammer. Gefüllt mit Gold und Schmuck. Es handelte sich um den
Kronschatz
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