Regenbogen-Welt (German Edition)
den
Freunden herum. Ihre Augen sprachen die übliche hypnotische Sprache. „Kommt
her, meine Freunde, und berührt den Stamm.“
Ihr giftgrüner Körper war dunkler geworden. Beinahe schwarz. Und
sie strahlte plötzlich etwas Böses aus.
„Nein!”, kreischte Uhura. Saha hatte sie noch nie so aufgeregt
gesehen. Und niemals hatte die Eule ihre Stimme derart erhoben. Doch Saha
beachtete den Schrei nicht. Ebensowenig die Anderen. Sie waren alle mit wenigen
Schritten an den Baum getreten. Umringten und berührten ihn. Handelten wie
ferngesteuert. Ihres eigenen Willens beraubt. Uhuras Schrei hallte immer noch
in ihren Ohren. Aber er wurde überdeckt von dem Summen der magnetischen
Strahlen, die der Baum aussandte. Die Sahas Gedanken fortwischten und sie
ebenso wie ihre Freunde in Trance versetzte.
Um sie herum herrschte tiefe Dunkelheit. Sie waren auf einer
Reise an die Grenze des Jenseits. Erreichten Euronymos’ Reich. Der Fürst des
Todes war ihnen zwar noch nicht erschienen, aber seine Anwesenheit spürte man
bei jedem Atemzug. Er war allgegenwärtig. Die Freunde blickten sich vorsichtig
um. Die Schwärze ließ nicht zu, dass sie sich halbwegs orientieren konnten.
Hand in Hand tappten sie durch die Finsternis. Flüsterten miteinander. Saha
fragte sich, warum sie alle ihre Stimmen senkten, und wusste keine Antwort.
Auch nicht darauf, wo sie sich befanden. Ihre Sinne waren verkümmert. Wenn sie
den undeutlichen Umrissen Glauben schenken konnte und die Bäume keine Produkte
ihrer blühenden Phantasie waren, gingen sie durch einen Wald.
Und gerade in dem Augenblick, als Saha den Gedanken zu Ende
führte, erklang Kasurs Zischeln. „Das muss der Träumende Wald sein.”
„Sooo?” Dahsanis Stimme drang dumpf zu Saha und Ishtar herüber.
„Woher willst du das wissen? Man kann noch nicht einmal seine eigene Hand vor Augen
sehen.”
„Oder seine vorwitzige Schnauze.” Hazee kicherte. In ihrer Stimme
schwang wie immer ein Lachen. Keine Spur Unbehagen oder gar Angst.
Saha öffnete den Mund, um etwas zu erwidern. Aber eine Stimme
schlich sich, leise wie ein Puma, heran.
„Sieh an!”, erklang es dunkel und heiser.
Saha schrie, als sie die Erscheinung sah, die sich von dem
dunklen Hintergrund abhob. Ein bis zum Skelett abgemagerter Mann, der einen
schwarzen Umhang über sich geworfen hatte. Die Kapuze tief in die Stirn
gezogen. Als er sie langsam zurückzog, schrie Saha erneut. Und mit ihr Barb.
In dem Totenschädelgesicht leuchteten zwei äußerst lebendige
Augen. Der harte Blick und sein spöttisches, herablassendes Lächeln löste
Unbehagen in Saha und Barb aus. Bei Maiitsoh wiederum hatte es eine völlig
andere Wirkung. Es baute eine Rivalität zwischen ihm und Euronymus auf.
Forderte Maiitsoh heraus. Und in dem Moment, als der Wunsch in ihm geboren
wurde, sich mit Euronymus auf einen Konkurrenzkampf einzulassen, hatte dieser
auch schon gewonnen. Er nahm an Substanz zu, je mehr sich Maiitsohs Schwäche
verstärkte. Je mehr seine Bereitwilligkeit, sich einen Kampf zu liefern,
zunahm. Aber Maiitsoh merkte das nicht. Er fühlte nur die Bedrohung, die von
dem Fürsten des Todes ausging.
Euronymus hingegen beachtete Maiitsoh nicht sonderlich. Seine
Aufmerksamkeit galt Kasur und Uhura. Mit einem spöttischen Lächeln auf dem
Gesicht drehte er sich zu den beiden herum.
„Es hat lange gedauert bis zu unserem Wiedersehen”, sagte er mit
einer Stimme, die den Atem stocken ließ, zu der Schlange.
Saha musterte ihn immer noch. Sein Profil kam ihr merkwürdig
bekannt vor. Fröstelnd zog sie die Schultern zusammen. Sie hatte Angst. Große
Angst.
Hinter Barbs Stirn hallte immer wieder der Satz: „Es hat lange
gedauert, bis zu unserem Wiedersehen.” Was hatte das zu bedeuten? Woher kannte
Euronymus Kasur und Uhura? Barb fühlte das beklemmende Gefühl tiefer Furcht,
wenn sie an die Stimme und das unheimliche Lachen des Fürsten des Todes dachte.
Die Blitze in seinen Augen hatten jeden von ihnen durchbohrt. Barb meinte immer
noch zu spüren, wie sich die Kälte – die sich ihres Körpers bemächtigte – bis
in ihr Herz schlich.
Euronymus war gefährlich. Sein Lächeln umzingelte sie. Und seine
Gestalt nahm mit jedem angstvollen Klopfen der Herzen um ihn herum zu. Schon
bald war aus dem knochigen Wesen eine kraftvolle Erscheinung geworden. Eine
Erscheinung mit einer gefährlich verführerischen Ausstrahlung.
Eine Ausstrahlung, der sich auch Saha nicht völlig entziehen
konnte.
Nach einer
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