Regenbogen-Welt (German Edition)
entsprang, war ihr nicht wohl dabei. Denn sie wusste mittlerweile,
dass zu viel Wissen oftmals Negatives nach sich zog. Vor allem dann, wenn es
nicht nutzbringend angewandt wurde. So war es ihr mehr als recht, als Maiitsoh
sie zum Weitergehen aufforderte. Der Große Wolf war immer noch unstet. Seine
Zwitterseele, der jetzt auch Moon innewohnte, trieb ihn fort. Er hätte nicht
sagen können, wohin. Aber eins war ihm klar: Er wollte weg von dem Alchimisten.
Der Alte war ihm unheimlich. Er verhielt sich seltsam passiv. Schien die
seltenen Gäste nicht einmal wahrzunehmen. Ohne den Greis zu beachten, forderte
Maiitsoh seine Freunde auf: „Lasst uns weitergehen!” Und war nicht einmal
erstaunt, als sie ihm widerspruchslos folgten.
Nach einigen Tagereisen waren sie nervös und erschöpft. Und Saha
zumindest auch leicht verärgert. Denn Iman hatte sie wieder verlassen.
„Super, das ist genau das, was wir gebrauchen können”, beschwerte
sie sich. „Auf dem entscheidenden Stück unserer Reise überlässt sie uns wieder
einmal unserem Schicksal.”
„Vielleicht hat sie ja ihre Gründe”, versuchte Barb sie zu
beschwichtigen.
Aber auch Uhuras Miene hatte sich sichtlich bewölkt. „Aber sie
weiß, dass wir das Dunkle Reich durchwandern müssen. Ich verstehe nicht, warum
sie uns ausgerechnet jetzt verlässt.”
„Siehst du!”, entfuhr es Saha triumphierend. Sie sah Barb
herausfordernd an.
Doch die blieb ruhig. Suchte Maiitsohs Blick. Der Große Wolf
verstand auf Anhieb, was sie beschäftigte und fasste es in Worte. „Was hat es
mit dem Dunklen Reich auf sich, Uhura? Ich dachte, hier gäbe es nichts
Schlechtes. Ich dachte, diese Welt böte nur Gutes. Ich dachte ...”
„So einfach ist das nicht”, erwiderte die Eule. „Hier IST Gutes.
Aber hier erreicht nur der die Pforte in die andere Welt, der gewissen ...”,
sie zögerte, „... der gewissen Versuchungen trotzt.”
„Hm.” Saha biss sich auf die Unterlippe.
„Die erste Versuchung haben wir wohl bereits überstanden”, ließ
Dahsani naseweis verlauten. „Der Gold-Mann hat uns nicht verführen können.”
„Er hat sich ja auch nicht sonderlich ins Zeug gelegt”, drang es
aus Shashs Stirnlocke.
„Hazee hat Recht.” Barb blickte Uhura ernst an. „Warum hat sich
der Alte nicht mehr angestrengt, um uns auf seine Seite zu ziehen?”
„Er konnte es nicht.”
Saha blickte Uhura ungläubig an. „Er konnte es nicht?”,
wiederholte sie. „Er hat es doch erst gar nicht versucht.”
Uhura lächelte weise. „Er konnte es nicht, weil ihr es nicht
zugelassen habt. Nur wenn ihr eine Schwäche für das edle Metall entwickelt
hättet. Wenn euch die Habgier überwältigt hätte. Dann hätte der Alchimist,
gestärkt dadurch, eine Gefahr für euch dargestellt.”
„Das heißt, wenn wir keine Schwächen zeigen, wird uns auch
künftig nichts geschehen?”, fragte Ishtar.
„Stelle dir das nicht so einfach vor!”, warnte Uhura ihn und
dämpfte damit Ishtars Euphorie. „Es wird noch genug Schwierigkeiten geben.“
Dahsani jammerte bereits nach wenigen Stunden wieder vor sich
hin. Seine Stimme steigerte sich in ein einziges Wehklagen. „Ich muss
hirnrissig gewesen sein, als ich beschlossen habe, euch zu begleiten”, grunzte
er.
„Stell dich nicht so an”, brummte Shash genervt.
„Ist doch wahr”, klagte Dahsani weiter. „Meine Füße fallen gleich
ab. Müsst ihr immer in einem solchen Affenzahn durch die Gegend hetzen?”
„Du bist unerträglich, Dahsani. Sicher bist du schon als
Nervensäge zur Welt gekommen. Mosere hier nicht herum, sondern marschiere
einfach weiter”, forderte ihn Hazee von ihrem Hochsitz aus auf.
Dahsani warf ihr einen finsteren Blick zu. „Das musst du gerade sagen”, rief er und warf ihr einen empörten Seitenblick zu. „Du hast es
nötig. Immerhin wirst du von Shash durch die Gegend getragen und schonst deine
zarten Füßchen.”
„Kinder”, mischte sich Uhura ruhig ein. „Hört endlich auf euch zu
streiten.”
Die Nacht legte ein dunkles Tuch über die Welt. Alle schliefen.
Bis auf Uhura. Selbst der Gesang der Vögel war verstummt. Sogar sie hielten
ihre vorwitzigen Schnäbel. Die Natur legte eine Atempause ein. Doch für Uhura
war die Nacht nicht zum Schlafen da. Für sie waren die dunklen Stunden voller
Leben. Während die Anderen ruhig vor sich hin schlummerten, war die Eule wieder
hellwach. Sie war ein stilles Geschöpf der Nacht. Und sie war nicht allein.
Weitere Kostenlose Bücher