Regenbogen-Welt (German Edition)
entfuhr es Maiitsoh. Ihm widerstrebte dieses Thema.
Es zeigte ihm allzu deutlich, dass sich ähnliche Kräfte in ihm breitmachten.
„Dann die Hyänen, unsere Polizei, auch unter ihnen führen die
Weibchen ein ziemlich strenges Regiment. Dort haben die Männchen nichts zu
melden ...”
„Die elenden Schlappschwänze”, fauchte Maiitsoh.
Uhura kicherte. „Die Hyänenweibchen sind aktive Jägerinnen, und
erst wenn sie sich gesättigt haben, dürfen die Männchen fressen. Wie würde dir
das gefallen, Maiitsoh?”
Der Große Wolf zog arrogant die Augenbraue hoch. Blieb Uhura aber
eine Antwort schuldig.
„Bei euch ist es allerdings komplizierter, mein Freund. Ein
Wolfsrudel hat immer einen weiblichen und männlichen Anführer. ER zeigt den
Männchen, wo es lang geht, und SIE den Weibchen.” Uhuras Grinsen uferte aus.
„Ich habe mir sagen lassen, dass aber letztendlich die erfahrene Wölfin den Ton
angibt und sich selbst das ranghöchste Männchen ihr unterordnet.” Sie blickte
tief in Maiitsohs Bernsteinaugen. „Und wer ist die Dame deines Herzens, vor der
du kuschst?”
Die scherzhaft gemeinte Frage traf Maiitsohs wunden Punkt. „Die
Frau muss erst geboren werden”, schnauzte er, tief in seinem männlichen Ego
verletzt.
„Vielleicht ist sie das schon”, erwiderte Uhura ernst. Aber ihr
Gesichtsausdruck heiterte sich schnell wieder auf. „Du wärest in guter
Gesellschaft. Dahsanis Brüder, die Wildschweine, hören auch auf das Kommando
einer Frau. Und Biih, unser verstorbener Hirschfreund, spielte zwar liebend
gerne hin und wieder den Macho, aber in Wirklichkeit war er ein Pantoffelheld.”
„Bei den beiden wundert mich das nicht. Dahsani ist ein fauler
Fresssack, und Biih ... na ja, man soll über Tote nicht schlecht reden, aber
der war ja nun wirklich das reinste Weichei.”
Uhura musterte Maiitsoh. Sie konnte seine Zerrissenheit deutlich
spüren. „Es sind nicht nur die Weicheier”, die Eule lächelte, als sie das
letzte Wort aussprach, „die sich ihren Weibchen unterwerfen. Selbst der Adler,
der König der Lüfte, mit dem sich das rote Volk so verbunden fühlt, spielt
neben seinem Weibchen die zweite Geige. Die Adler-Dame ist sogar um einiges
größer als ihr Partner.”
Maiitsoh dachte, nicht recht zu hören. Der Adler war für ihn von
Anbeginn seines Denkens immer ein Symbol männlicher Macht und Stärke gewesen.
Uhuras Worte fegten diese Weltanschauung, die tief in Maiitsohs Wesen verankert
war, mit einem Satz weg. Was ihn zusätzlich quälte, war die Tatsache, dass die
Eule mit ihren Worten das bestätigte, was ihn schon seit einiger Zeit bewegte.
In ihm kämpften zwei Geschlechter. Rangen um eine einheitliche Linie. Er
hoffte, keines von beiden würde unterliegen. Und er hoffte ebenso, dass er sich
nicht so weit veränderte, um seinen Grundcharakter zu verlieren. Um sich selbst
treu zu bleiben. Aber eines gestand er sich endlich ein: Er war ein
Zwitterwesen geworden.
Die Fünfte Welt war voller Überraschungen. Der Weg, den die
Freunde eingeschlagen hatten, entpuppte sich als äußerst mühevoll. Saha nahm
mit Erstaunen wahr, dass sich Maiitsoh immer mehr auf Barbs Seite schlug. Aber
sie fühlte keine Eifersucht mehr. Zu sehr beschäftigte sie diese Welt. Sie
bestand nicht nur aus dem wattigen Weiß, wie Saha vermutet hatte. Auch hier
herrschten feine Nuancen vor. Und diese Welt hielt schon die nächste
Überraschung für sie bereit.
Sie erspähten einen Baum. Keinen gewöhnlichen. Nein, dachte Saha,
das wäre ja auch zu viel verlangt. Der Baum glitzerte wie schwarze Jade. Und
wie schon zuvor bei dem Mondberg, sirrte um ihn ein Strom Elektrizität. Oder
etwas, das Saha dafür hielt.
„Der magnetische Baum”, zischelte Kasur und zeigte sich zum
ersten Mal auf dieser Reise beeindruckt. „Ich hätte es niemals für möglich
gehalten, ihn jemals zu Gesicht zu bekommen. Also sind die Sagen um ihn wahr.”
Die Schlange blickte Uhura fragend an. Die Eule nickte nur.
Trippelte näher an den Baum heran und betrachtete ihn mit einer Spur
Misstrauen. Auch Saha und Barb schlichen näher. Auf den ersten Blick konnten
sie nichts Ungewöhnliches erkennen. Vom Wuchs unterschied er sich nicht von
einem x-beliebigen Baum. Aber die Aura, die ihn umgab, ließ deutlich spüren,
dass besonderes Leben in ihm wohnte.
Kasur schlängelte blitzschnell auf den Stamm zu. Blieb nur wenige
Zentimeter davor liegen, richtete den Oberkörper auf und drehte sich zu
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