Regenbogen-Welt (German Edition)
unter
uns wird es wieder ein Tal der Schmetterlinge geben. Und es wird wieder im Land
der Götter liegen.” Saha verstand nicht ein einziges Wort. Aber das war auch
nicht nötig, denn Iman sprach, tief in Gedanken versunken, weiter. „Die Götter
und die Menschen waren schon immer uneins. Zumindest bis jetzt. In der Fünften
Welt, die vor dem Untergang der ersten Rasse noch nicht existiert hat, sollt
ihr lernen, wie ihr die göttlichen Lehren und eure eigene kleine Gedankenwelt
in Einklang bringen könnt. Die erste Rasse hielt das rote Volk für ein
unterworfenes Volk, von Stammesgrenzen eingeengt. Dabei waren sie Menschen
besonderer, innerer Kraft. Das weiße Volk machte den entscheidenden Fehler zu
glauben, die beiden Völker würden in verschiedenen Welten leben. Dabei gibt es
nur eine Welt, aber die ist bestimmt von verschiedenen Wegen. Daran müsst ihr
euch immer erinnern.”
Das schwebende Gesicht war von makelloser Schönheit. Mit klaren
Augen und einem geschwungenen Mund. Es gehörte einer Frau mit ebenmäßigen
Zügen. Auf deren Stirn ein türkisfarbener Edelstein funkelte, von dem ein Licht
ausging, das die Seele erwärmte. In den Augen schimmerte es warm und gütig.
Aber die wahre Schönheit war nicht äußerlich. Die Erscheinung leuchtete von
innen. Ein Strom der Liebe bahnte sich seinen Weg hinaus. Bis tief hinein in
Sahas und Barbs Herzen. Saha kam das Gesicht bekannt und auch wieder unbekannt
vor. Es trug irgendwie zwei Wesenszüge. Vermischt zur Perfektion.
„Fällt es dir auch auf?”, flüsterte Barb neben ihr.
„Was soll mir auffallen?” Saha konnte sich kaum von dem Anblick
des Frauengesichtes lösen.
„Sie trägt unsere Gesichtszüge. Unser beider Züge. Wir sind zu
einer Wesenheit verschmolzen.”
Der Satz schwebte zwischen ihnen. Wie eine Brücke. Eine Brücke, die
sie gemeinsam beschreiten wollten. Lange sprachen sie kein Wort. Saßen nur
stumm da und betrachteten die Vision. Die Erscheinung. Ihr gemeinsames Gesicht.
Es schwebte über die Felsen. Sakrales Halbdunkel hüllte es ein. Doch noch im
dämmrigsten Winkel glomm das Licht des Edelsteins.
Saha hielt ehrfürchtig den Atem an. Sie wagte es nicht, sich zu
rühren. Auch Barb lag völlig regungslos neben ihr.
Das Gesicht schwebte im Zeitlupentempo näher. „Sucht den
Steinernen Turm.” Eine Stimme wie Sirup drang zu ihnen herüber.
Barb setzte sich abrupt auf. „Welchen Turm? Warum sollen wir ihn
suchen? Und wo finden wir ihn?”
Der Mund der Erscheinung verzog sich zu einem Lächeln. Blieb aber
stumm. Das Licht des Edelsteins glomm, flammte auf und explodierte. Nahm die
Vision mit sich fort.
Iman nickte am nächsten Morgen, als die Sonne den Himmel in
Besitz nahm, zufrieden. Saha hatte kaum die Augen aufgeschlagen und mit der
weißen Schamanin einen kurzen Blickwechsel ausgetauscht, als sie die Anderen
auch schon aufforderte aufzubrechen. Der Traum, die Vision, oder wie immer sie
es nennen wollte, gab ihr wieder den Antrieb weiterzugehen, den die trügerische
Idylle des Schmetterlingstals gelähmt hatte.
Barb fühlte eine sonderbare Trauer, als sie sich von dem Tal der
Luftgaukler lösten. Es war, als verließe sie ihre Heimat. Ihr Zuhause.
„Blödsinn”, murmelte sie und erntete einen erstaunten Blick von
Maiitsoh. Der Große Wolf sah sie fragend an. Barb fühlte sich immer
verunsichert, wenn er sie musterte. Sie räusperte sich und schüttelte verärgert
darüber, dass sie sich von ihm so aus der Fassung bringen ließ, den Kopf.
„Unsere eingeschworene Gemeinschaft hat ganz schön abgenommen”,
sagte sie und ließ ihren Blick über die Freunde schweifen.
Ein zustimmendes Knurren mit einer wütenden Nuance war die
Antwort. Maiitsoh konnte es sich immer noch nicht verzeihen, dass er Hazees Tod
nicht verhindert hatte. Er hatte versagt. Jämmerlich versagt. Und nun verließen
sie das Tal der Schmetterlinge. Jenes Tal, in dem die Energien nur so gesprudelt
waren. Maiitsoh fühlte sich um diese Kraft beraubt. Er war von einer
unerklärlichen Mattheit befallen. Innere Unruhe schwächte ihn zusätzlich.
Kachinas, der Wächter des Großen Traums, war ihm erschienen. Hatte ihm Bilder
auferlegt, die Maiitsoh nicht zu deuten verstand. Ahnungen stiegen in ihm auf.
Ihm stand eine Begegnung bevor, die sein Leben veränderte.
Saha erschien die Reise durch die Fünfte Welt endlos. Unendlich
dehnten sich die Sternenfelder über dem Land. Der Mond leuchtete ihnen den Weg.
Sie hatte Ishtars Hand ergriffen. Die
Weitere Kostenlose Bücher