Regenbogen-Welt (German Edition)
Einzelnen war.
Uhura senkte demütig das Haupt. „Yoolgai”, murmelte sie. „Sie
trägt das geheiligte Gefäß und gießt das Wasser des Lebens über uns aus.”
Yoolgai schlug ihre halb geschlossenen Augen auf und blickte
Uhura an. „Ihr habt es auch bitter nötig”, sagte sie mit einer erstaunlich
rauchig-dunklen Stimme. Dann beugte sie sich tiefer zu ihnen herab. Dabei
baumelte ein Amulett, das ihr bis an den Bauchnabel reichte, über den Ozean.
Licht brach sich darin. Als die Totempfähle darin erschienen, war Saha nicht
einmal erstaunt. Sie gab keinen Laut von sich. Auch ihre Freunde nicht.
Vorneweg erhob sich feindselig Taiowas Pfahl. Derjenige, der Barb
in sich hineingezogen hatte.
Dahinter standen die anderen Totems. Sie strahlten eine traurige
Aura aus.
Yoolgai ergriff das Amulett und deutete darauf. „Das ist die
Gegenwart. So sieht es jetzt aus. Traurig, nicht wahr?”
Saha nickte, und Yoolgai drehte das Amulett herum. Darin war das
gleiche Bild zu sehen. Mit zwei wesentlichen Unterschieden: Taiowas Totempfahl
war nirgends zu entdecken. Dafür erstrahlten die anderen in hellem Licht. Von
ihnen gingen Freude und fremdartige Spiritualität aus.
Yoolgai lächelte wehmütig. Und auch dieses Lächeln kam Saha
bekannt vor. Wie schon zuvor die Gesten der jungen Frau. Plötzlich fiel ihr
ein, dass eine imaginäre Stimme ihr bereits eingeflüstert hatte, sie solle
Yoolgai suchen, als sie in die Muschelstadt hinab getaucht waren. Und plötzlich
wusste sie mit Bestimmtheit, dass ihr Schicksal eng mit dem Yoolgais verbunden
war.
Yoolgai tippte auf das Bild des Amuletts. „Und hier seht ihr die
Vergangenheit, die auch Zukunft sein könnte, wenn ...”
„Wenn?”, hörte sich Saha fragen.
Yoolgai beugte sich noch tiefer hinunter. „Du weißt es!”, sagte
sie eindringlich. „Du musst dein Potenzial nur nutzen. Denn du bist viel
stärker, als du denkst!”
„Aber wie können wir Barb zurückholen, und wo ist sie?”
Yoolgai kicherte. „So viele Fragen.” Hazee hätte am liebsten „Das
macht sie immer so” dazwischengerufen, aber der strenge Blick, den Shirkan ihr
zuwarf, erstickte den Satz im Keim. „Du kannst deine Freundin zurückholen,
indem du das goldene Gebetstor durchschreitest”, fuhr Yoolgai fort. „Wo Barb
ist, kann ich nicht so leicht erklären. Taiowa, der Unendliche, hat seine
schwarze Magie über die Geister der Totems gelegt. Um seine Seele am Leben zu
erhalten, ist er auf Lebewesen angewiesen, die sich ihm hingeben. Nimmst du ihm
diese Seelennahrung, nimmst du ihm auch die Kraft.”
„Also, wenn wir Barb zurückholen, zerstören wir damit Taiowas
Kraft”, wiederholte Saha.
Yoolgai nickte. „So kann man es ausdrücken.”
„Wer bist du?” Die Frage, die schon seit Yoolgais Erscheinen in
Saha brannte, entschlüpfte ihr endlich.
„Ich bin Yoolgai, vom Volk der Navajo.”
Saha und ihre Freunde hatten lange gebraucht, um Yoolgais
Erscheinen zu verkraften. Deren Augen mit ihrer ungeheuren Leuchtkraft hatten
in Saha erneut die Frage aufkommen lassen, an wen die rothäutige Frau mit dem
dunklen Haar sie erinnerte. Und dann lag das Bild klar und deutlich vor ihr:
Barb.
Sie erinnerte sie an Barb!
Sahas Gedanken wanderten wieder zu Taiowa und die in ihm
gefangene Freundin. Saha wusste nicht, wie sie das Goldene Gebetstor erreichen
sollte. Yoolgai hatte sich darüber ausgeschwiegen. Und auch Uhura, Shirkan und
Azaa schienen nichts darüber zu wissen. So war Saha auf sich selbst gestellt.
Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Aber so sehr sie auch überlegte und
grübelte, der Knoten in ihrem Gedankenfluss wollte sich einfach nicht lösen.
Wollte nicht die rettende Lösung freilassen.
Sie übernachteten zwischen schroffen Felsausläufern. Bis tief in
die Nacht sprachen sie darüber, was sie seit ihrem Aufbruch aus der Ersten Welt
alles erlebt hatten. Und das war nicht gerade wenig. Doch immer wieder kreiste
das Gespräch um Barbs Verschwinden. Es verfolgte Saha bis in ihre Traumwelt.
Dort erschien ihr Barb, wie sie die Schmetterlings-Frau kannte und liebte. Sie
flatterte neckisch an sattlila Blütendolden vorbei und flog große Achten. Dabei
lachte und scherzte sie. Dann erschien Yoolgai am Himmel. Ihr langes, dunkles
Haar flatterte im Wind. Auch sie lachte und verströmte strahlende Heiterkeit.
Barb flog zu ihr. Sie streckten sich gegenseitig die Arme entgegen und lachten
sich an.
„Lass das, flieg nicht so hoch”, warnte Saha sie.
Aber Barb hörte wieder einmal
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