Regenbogen-Welt (German Edition)
beherrscht wurde.
Saha dachte daran, was ihr Shirkan erzählt hatte.
Die Große Sonne sollte das Symbol und der Mittelpunkt der Neuen
Welt sein. Um sie würde sich alles drehen. Ihr zu Ehren sollte ein Tempel
errichtet werden, und sie anzubeten, sollte nur bestimmten Priestern
vorbehalten sein. Die Anbetung der Sonne würde die offizielle Religion. Mit nur
einer oberen Gottheit, die im Himmel lebte, die mit der Sonne eng verbunden
war.
Die Sonne würde das Kind des Himmels sein.
In dieser Neuen Welt.
Saha konnte mit Shirkans Prophezeiungen noch nicht viel anfangen.
Dafür Barb umso mehr. Sie hatte wieder eine Vision gehabt. Eine, die sie
zutiefst erschreckt, aber auch beglückt hatte. Sie hatte sich und Saha gesehen,
als Erste Frauen zweier neuer Rassen. Eines weißen und roten Volkes. Zwei
Völker, die sich trotz ihrer verschiedenen Religionen in Harmonie und
gegenseitigem Verständnis entwickelten. Sie hatte Ishtar als Ersten Mann der
weißen Rasse gesehen, der Saha, der Ersten Frau, zur Seite stand. Das erstaunte
Barb nicht. Ishtar war Saha von jeher in Liebe verbunden. Was sie betrübte, war
die Tatsache, dass es in der Vision an ihrer Seite keinen Mann gegeben hatte.
„Ist ja eh alles nur Blödsinn”, entfuhr es ihr aus dem Gedanken
heraus und sie erntete erstaunte Blicke von Saha und Azaa. Aber die beiden
schwiegen, fragten nicht nach, was Barb mit dem Ausruf gemeint hatte. Sie waren
zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
Maiitsoh war es wieder, der zum Aufbruch mahnte. Sahas Gesicht
trug einen betrübten Ausdruck. Ihre zwiespältige Natur focht wieder einmal
einen aussichtslosen Kampf in ihr aus. So sehr es sie auch in die Neue Welt
vorantrieb, so sehr trauerte sie bei dem Gedanken, sich mit jedem Schritt von
Shirkans sterblichen Überresten, die in der Zweiten Welt verblieben waren, zu
entfernen. Als sie aufbrachen und durch das eintönige Weiß stapften, war es
ihr, als hätte sie den wesentlichen Teil ihres alten Ichs an der Stelle
zurückgelassen, an die sie Shirkans Leiche gebettet hatten. Mit gemischten
Gefühlen, die dem Auf und Ab von Indias und Davinas Flugkünsten glichen, folgte
sie Maiitsoh und ihren Freunden.
Sie schwiegen alle.
Ishtar hatte Sahas Hand ergriffen. Ihre Finger verwoben sich
ineinander. Den Libellen-Mann hatte es nicht so wie die Anderen aus der Bahn
geworfen, als sie die Zwischenwelt erreichten. Ishtar wusste aus seinen Studien
und den Erzählungen der Alten, dass sich in dieser Welt, die den direkten
Übergang in die Dritte Ebene darstellte, ein Schloss befand. Nein, ein Tempel,
der die Priester des Kindes des Himmels beherbergte. Er wusste, dass die Sonne,
einem Gott gleich, verehrt und geachtet wurde. Er kannte nur nicht den Grund,
warum sie in dieser Zwischenwelt gelandet waren.
Die Legende über diese Welt besagte, dass sie nur Besucher
besonderer Art willkommen hieß.
Doch niemand wusste, warum.
Ishtar spürte Sahas Hand federleicht in seiner. Ein feines
Kribbeln lief wie tausend kleine Ameisen seinen Arm entlang, richtete die
feinen Härchen darauf auf. Bisher hatte er Saha wie ein Kunstwerk geliebt. Das
durch Berühren seine Einzigartigkeit verlor. Doch seit sie sich verwandelten,
hatte zwar Saha ihre Schönheit nicht verloren, dafür aber Ishtar seine Scheu,
sie zu berühren. Etwas Besonderes schlich sich in ihre Beziehung. Etwas, das
völlig neu für ihn, für sie beide war.
Die Wolkenwände öffneten sich plötzlich und im Glanz der Sonne
lag eine Landschaft aus glitzernden Eiskristallen vor ihnen. Saha meinte, nie
etwas Schöneres gesehen zu haben. Für einen Moment überrollten ihre Gefühle
sie, als sie die bläulichweiß schimmernden Berge und Seen sah, die eine
perfekte Einheit bildeten. Die Sonne zeichnete dunkelblaue Schattenornamente
auf die Zwischenwelt. Beherrschte die gesamte Szenerie.
Saha brachte kein einziges Wort heraus. Sie umklammerte nicht nur
Ishtars Hand, sie hatte auch Barbs ergriffen. Die wiederum Hazees. Und dann
hatte jeder der Freunde die Hand eines Anderen erfasst. So bildeten sie eine
Lebenskette, standen staunend im Schein der Sonne und starrten über die
malerische Landschaft hinweg auf nur einen einzigen Punkt. Dem Schloss aus Eis,
das sich auf einer Wolkenanhöhe erhob. Das unwirkliche Bild wurde effektvoll
durch den rosa Bogen abgerundet, der über den Schlosstürmen durch die Wolken
schimmerte.
„Das ist wunderschöööön”, entfuhr es Barb. „Meine Güte, ist das
schön. Ich wünschte, ich könnte das
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