Regenbogen-Welt (German Edition)
nicht so bereitwillig, wie die bedeutend
längeren seiner Freunde diese trugen. Tuc zählte nicht, denn der Käfer, der als
Einziger auf dem Tisch Platz genommen hatte, weil man ihn auf dem Stuhl nicht
mehr gesehen hätte, wurde immer noch bereitwillig von Shash getragen.
India und Davina gesellten sich zu ihnen. Sie waren förmlich
aufgeblüht, seit sie in der Zwischenwelt angelangt waren. Saha betrachtete die
bunten Himmelskolibris. Natürlich, dachte sie, warum bin ich nicht sofort
darauf gekommen? Sie müssen hier zu Hause sein.
India neigte kokett den Kopf. „Richtig!”, zwitscherte sie.
Las sie zu allem Überfluss auch noch Sahas Gedanken? Indias Blick
wurde eine Spur wärmer. Er war wie eine Bestätigung. Saha schluckte. Es
erfüllte sie nicht gerade mit Freude, dass jemand in ihren Gedanken las. Das
gab ihr das Gefühl des Ausgeliefertseins.
Wieder war es Maiitsohs Stimme, die ihr Bewusstsein durchbrach.
„Und was machen wir nun? Hat jemand einen Vorschlag?” Er blickte
gespannt in die Runde.
Shash stieß sich von der Wand ab, an der er gelehnt hatte. „Es
muss einen Grund geben, warum wir hier sind.”
„Fragt sich nur, welchen”, trötete Dahsani dazwischen.
Saha blickte wieder India und Davina an. Sie schienen der
Schlüssel zu dem Geheimnis der Zwischenwelt zu sein. Die beiden Kolibri-Mädchen
saßen auf der Tafel und putzten sich eifrig das glänzende Gefieder. Sie trugen
dabei einen Gesichtsausdruck zur Schau, als ob sie das Gespräch nichts anginge.
Und gerade das brachte Saha erneut auf die Idee, die beiden könnten mehr
wissen, als sie den Anschein erweckten.
„Was ist mit euch?”, fragte sie herausfordernd in deren Richtung.
„Habt ihr dazu überhaupt nichts zu sagen?”
India beendete die Putzaktion und blickte Saha ruhig an.
„Natürlich haben wir das!”
Shash stieß einen erstaunten Pfiff aus. „Ich muss schon sagen ...
wir reden uns hier den Mund franselig und ihr wisst womöglich, warum wir hier
sind und wie wir weiter in die Dritte Welt kommen.”
„Wir wissen zwar, warum ihr hier seid, aber nicht wie ihr in die
Dritte Welt kommt”, trällerte jetzt auch Davina. „Unsere Aufgabe war es, euch
herzuführen. In unsere Welt.” Sie deutete mit dem Flügel erst auf Saha, dann auf
Barb. „Es betrifft euch beide.” Sie plusterten sich zu zwei schillernden
Federbällchen auf, schlugen mit den Flügeln, erhoben sich in die Luft, riefen:
„Lebt wohl!” – und entschwanden.
Einfach so.
Sie flogen durch eines der Fenster in den Eiswald, der an das
Schloss grenzte. Verschwanden den Blicken der Freunde. Ohne sich auch nur noch
einmal umzudrehen.
„Na, das sind mir schöne Freunde”, empörte sich Hazee. In ihren
Augen funkelte es wütend. „Locken uns erst hierhin und hauen dann einfach ab.”
Saha gab ihr innerlich Recht. Das hätte sie den Himmelskolibris
auch nicht zugetraut. Doch sie kämpfte ihre Enttäuschung nieder. Die Unruhe in
ihr war zurückgekehrt. Und die Neugier, was India und Davina damit gemeint
hatten, dass Barb und sie der Grund waren, aus dem sie sich in der Zwischenwelt
befanden, steigerte sich noch.
Barb hingegen fragte sich bei den Worten der kleinen Vögelchen,
ob ihr Aufenthalt im Reich der Sonne etwas mit der Vision zu tun hatte. Sollten
auch sie dem Kind des Himmels huldigen?
Und wenn, wie?
Sie spürte Sahas Blick und die der Freunde. Holte tief Luft und
erzählte von der Vision. Erzählte von den Sonnentänzen und endete mit den
Worten. “Mein Volk begeht diese Zeremonie jedes Jahr”, und erschrak darüber.
Was redete sie da? Von welchem Volk sprach sie?
Ihre Freunde starrten sie mit offenen Mündern an. Bevor sie etwas
herauspressen konnten, ergriff Saha das Wort. „Sollen auch wir diese Zeremonie
begehen?”, fragte sie leise.
Dahsani stieß einen dunklen Laut aus. „Von solchem Hokuspokus
halte ich nichts!”
Saha lachte. „Es muss immer Zweifler geben”, hielt sie ihm
ungerührt entgegen.
Eine Bewegung hinter ihr lenkte ihre Aufmerksamkeit auf Azaa. Sie
hatte sich lange Zeit im Hintergrund gehalten, aber jetzt hielt sie es für
angebracht, sich wieder in den Vordergrund zu drängen.
„Irgendwo in diesem Schloss muss es eine Antwort auf alle Fragen
geben. Erinnert ihr euch, was Shirkan gesagt hat?” Ein Schatten huschte über
ihr Gesicht, als sie den Namen aussprach. „Er sagte, dass in dem Schloss
Priester wohnen, die die Sonne anbeten.”
Uhura flatterte ebenfalls auf die Tafel und blieb nicht weit von
Tuc sitzen.
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