Regenbogen-Welt (German Edition)
müssen”, fuhr ihn
Maiitsoh gebieterisch an.
„Wir müssen erst das Gebiet des Clovis-Clans erreichen.”
Sie hatten lange darüber diskutiert, welchen der vier
Höhlenausgänge sie benutzen, in welche Himmelsrichtung sie gehen sollten.
Darüber hatte sich Ye-weh-node nämlich ausgeschwiegen.
Sie entschieden sich für Süden.
Als die Freunde das Dunkel der Höhle verließen, blendete sie das
Sonnenlicht. Der blaue Himmel dieser Welt lächelte strahlend auf sie herab. Ein
weitgestrecktes, fruchtbares Land schloss sich an die Bergwelt, doch Saha und
ihre Freunde erblickten bereits am Horizont ein gigantisches, dunkles Dreieck.
Ein Bergmassiv von unvorstellbarer Größe ragte in den wolkenfreien Himmel.
„Ist das der Berg der Verschwiegenheit?”, fragte Saha. Maiitsoh
und Azaa nickten einträchtig. Sie gingen wieder nebeneinander. Wirkten wie
Freunde, die lange getrennt gewesen waren und sich dann wiedergefunden hatten.
Shirkan folgte ihnen mit betrübtem Gesicht. Ishtar hatte sich Saha und Barb
angeschlossen. Er ließ die beiden nicht aus den Augen. Auf Saha ruhte sein
Blick häufiger. Sie deutete es als Zeichen seiner Verliebtheit.
Aber Ishtar bewegte etwas völlig Anderes. Ihm war nicht verborgen
geblieben, dass sich Saha und Barb veränderten. Und auch mit ihm ging etwas
vor, das er nicht einzuordnen wusste. Er fühlte sich, als hätte ihm eine
imaginäre Größe wichtige Gene entnommen und dafür neue eingepflanzt. Das allein
hätte ihn schon verunsichert. Aber was ihn maßlos erschreckte, war die
Tatsache, dass er, Saha und Barb die Einzigen zu sein schienen, die sich
veränderten. Die Anderen waren von dem mysteriösen Umwandlungsprozess nicht
betroffen. Oder bildetet er sich das alles nur ein?
Nachdem sich Dahsani und Shash erfolgreich und sehr nachdrücklich
beklagt und über Hunger gejammert hatten, legten sie eine Rast ein. Maiitsoh
und Azaa befahlen den Freunden, auf sie zu warten. „Wir gehen etwas Essbares
jagen”, verkündeten sie und schlugen sich in die Büsche. Saha und Barb
flatterten zusammen mit Jabani, die schon wieder kopfüber von einem Ast hingen,
auf einen Baum und verfolgten Azaas Jagd, aber auch das Treiben um sie herum.
Erdhörnchen naschten Gräser, Beeren und kleine Insekten. Sie
gaben sich ein Stelldichein mit Lemmingen und Wühlmäusen. Sie spürten nicht die
drohende Gefahr, die von Azaa ausging, die sie seit geraumer Zeit beobachtete.
Die Spinnen-Frau hatte eine beeindruckende Ausdauer und war in der Lage, völlig
regungslos zu verharren. Ihre Jagdmethode erinnerte Saha an Kasur, die
ebenfalls entschwunden war, um für ihr leibliches Wohl zu sorgen.
Dann ging alles blitzschnell.
Azaas Art zu töten glich einem Liebesakt. Verführerisch, aber
tödlich. Mit ansprechender Eleganz und abschreckender Brutalität. Ihre vier
Beinpaare bewegten sich völlig synchron und fegten geschmeidig über den Boden
auf ihr Opfer zu. Eine beinahe zärtliche Umarmung, und der Todesschrei des
Erdhörnchens erstarb. Saha war außerstande, sich zu bewegen oder den Blick von
Azaas dunklem Körper zu lösen. Mit hämmerndem Herzschlag beobachtete sie das
Schauspiel und war bestürzt über ihre Empfindungen. Fressen und Gefressen
werden gehörte zu einem der Gesetze, die das Leben der Ersten Welt ausgemacht
hatten. Daran glaubte sie sich zumindest zu erinnern, auch wenn alles, was ihre
einstige Heimat ausmachte, immer mehr in einem undurchsichtigen Nebel
verschwand.
Doch plötzlich wurde ihr übel, als sie sah, wie seelenruhig Azaa
ihr Opfer tötete und verschlang. Das Geräusch der zermahlenden Kiefern
schraubte Sahas Magen hoch. Sie blickte Barb an und sah, dass es der Freundin
ebenso ging. Sehr blass um die Nase, lehnte sie an einem Ast und wischte sich
mit der Hand über die Stirn. Wieder fiel Saha der rot-bronzene Hautton auf. Sie
blickte als Vergleich auf ihre Arme, die immer mehr an Grün verloren. Die
beinahe schon einen sandfarbenen Ton angenommen hatten, der von ihrem ehemals
sattgrünen Körper abgestochen hätte, hätte nicht auch er an Farbe eingebüßt.
Was geschieht mit mir?, fragte sie sich mit wachsendem Entsetzen.
Sie hatte nicht mehr die Gelegenheit, über eine mögliche Antwort
nachzudenken, geschweige denn Barb zu fragen, denn Azaa und Kasur kehrten
zurück. Satt und zufrieden. Sie sprachen auf Maiitsoh ein, der auf ein Gebüsch
deutete und die Freunde anschaute.
„Dahinter findet ihr ein paar Kaninchen und sonstigen Kleinkram.”
Er grinste breit. „Das
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