Regenprinzessin (German Edition)
gewesen.
Unsere Zimmer lagen nebeneinander im vierten Stock. Die Aussicht über die Stadt und das Meer dahinter war fantastisch. Zuvor hatten wir weiter unten gewohnt, doch wir hatten so lange gebettelt, bis wir oben einziehen durften.
Meine Mutter schloss mich in die Arme und weinte vor Erleichterung, man war sich nicht sicher gewesen, ob ich wieder aufwachen würde. Ich klammerte mich an sie auf der Suche nach Halt. Sie setzten sich beide zu mir und wir sprachen leise miteinander. Ich erzählte ihnen was geschehen war, Lucia hatte es bisher nicht getan. Wie ich nun erfuhr, hatte sie noch nicht ein Wort gesprochen, seit wir zurück waren. Sie starrte nur ins Leere, während sie nachts schrie und weinte.
Ich erzählte ihnen von den Männern, davon was sie getan hatten und meinem Unvermögen auf meine kleine Schwester aufzupassen. Ich flehte sie an mir zu verzeihen, obwohl ich wusste, dass ich es nicht verdient hatte. Meine Eltern trösteten mich und sagten, es sei nicht meine Schuld. Aber ich wollte ihnen nicht glauben.“ Van machte eine Pause und seufzte schwer.
„Aber du konntest doch nichts dafür.“ Es schnürte mir das Herz zu ihn so leiden zu sehen.
Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte sie beschützen müssen.“
„Du warst doch selbst noch fast ein Kind und hast den Versuch beinah mit dem Leben bezahlt, wie kannst du da glauben, es sei deine Schuld?“
Van schwieg einen Moment und dachte darüber nach, bevor er mir antwortete. „Wie kannst du glauben, ich liebte dich nicht, obwohl ich es dir sage?“
Verdammt, darauf wusste ich nichts zu erwidern, doch ein bisschen verstand ich auch, was er mir damit sagen wollte. Nervös nestelte ich an meiner Bettdecke herum, während ich hoffte, er würde weiter sprechen.
Van tat mir den Gefallen nicht. Auch wenn ich es ihm nicht antun wollte, so musste ich dennoch wissen, was danach geschehen war. „Wie ging es weiter?“
Van warf mir einen gepeinigten Blick zu, erzählte mir dann aber den Rest seiner Geschichte. „Ich musste einfach zu ihr. Also schleppte ich mich nach nebenan. Lucia saß in ihrem Erker bei offenem Fenster und schaute hinaus auf das Meer. Mit angezogenen Beinen hatte sie sich zusammengekauert und ganz klein gemacht. Bei meinem Eintreten schaute sie nicht auf, erst als ich ihren Namen sagte. Ihr hübsches Gesicht war grün und blau, verquollen, ihre Stupsnase schief. Der Anblick brach mir das Herz, ein weiteres Mal.
Langsam ging ich auf sie zu, bis ich vor ihr am Boden zusammensank. Ich sagte ihr, wie leid es mir täte. Immer und immer wieder. Sie sagte, ich solle damit aufhören und, dass nicht ich es gewesen sei, der ihr das angetan hatte. Ihre Stimme war rau und kaum wieder zu erkennen. Kein Wunder, sie hatte sich die Seele aus dem Leib geschrien.
Ich wollte ihr widersprechen, doch sie ließ mich gar nicht erst. Wieder schaute sie zum Meer hinaus. Leise flüsterte sie, ich solle ihr verzeihen. Ich war vollends verwirrt und fragte sie, was es denn geben könnte, das ich ihr verzeihen müsste. Lucia sah mich immer noch nicht an. Sie flüsterte, sie werde mir gleich unendlich wehtun.
Dann drehte sie sich wieder um und strich über mein Haar. Sie sagte, sie hätte auf mein Erwachen gewartet, dass sie mich noch einmal sehen musste. Ihre Hand zitterte, während sie mir sagte, dass sie mich liebte und ich ihr verzeihen möge. Dann forderte sie, ich solle leben.“
Vans Stimme brach. Mich zerriss es innerlich.
Sobald er sich gesammelt hatte, fuhr er fort. Seine Stimme hatte einen Klang angenommen, als könnte er es immer noch nicht glauben. „Sie ließ sich einfach zurückfallen.“ Van schüttelte verzweifelt seinen Kopf. „Ich habe es nicht mehr geschafft sie zu erreichen, um sie festzuhalten. Wie von Sinnen schrie ich ihren Namen.
Ich habe sie den ganzen Weg fallen gesehen. Es waren unendlich quälende Sekunden, doch ihr Gesichtsausdruck war so voller Frieden. Dann schlug sie hart auf das Steinpflaster des Hofes.
Durch meinen Schrei kamen unsere Eltern angelaufen. Meine Mutter verlor beinah den Verstand, als sie sah, was geschehen war. Lucias Blut war über den halben Hof verteilt und noch immer lächelte sie.“ Van seufzte schwer. „Es ist meine Schuld, dass sie starb.“
Ich wollte ihm widersprechen, bekam aber durch den dicken Kloß, der meinen Hals versperrte keinen Ton heraus. Bis ich nun die Tränen spürte, die meine Wangen hinab liefen, hatte ich nicht mitbekommen, wann ich zu weinen begonnen hatte.
Mir war die
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