Regina schafft es doch
eigenen Sicherheit nicht mehr sicher war, sie sann einem anderen, einem neuen und erstaunlichen Gedanken nach.
„Sollte etwas geschehen“ – war es so merkwürdig, daß ein Mann diese Worte aussprach, wenn er in ein fremdes Land reiste? Wenn er wußte, daß er monatelang wegbleiben würde?
War es das, was er gemeint hatte?
Regina schlug die Augen ganz auf und begegnete Katrins Blick. Der war hell und offen und voll zärtlichen Verstehens.
„Katrin – ich muß gerade an etwas denken.“
„Ja? An was denn?“
„Ich sitze da und denke darüber nach, ob ich mich vielleicht geirrt habe. Ob ich mich nicht von Anfang an ganz gewaltig geirrt habe.“
„Du – die selbstsichere Regina – , wie kann das zugehen, daß du plötzlich so unsicher bist?“
„Vielleicht ist die Unsicherheit der Beginn einer neuen Sicherheit, Katrin. Vielleicht – vielleicht muß ich von vorn anfangen.
Vielleicht habe ich mich in verkehrte Vorstellungen verrannt.“ Katrin sah sie fragend an. Redete Regina von ihrer Kunst, oder redete sie von etwas anderem?
Als Regina wieder sprach, war ihre Stimme ganz leise, beinahe flüsternd, als spräche sie zu sich selber: „Vielleicht hat meine schreckliche Halsstarrigkeit mich dazu verleitet, ein großes Unrecht zu begehen…“
Daheim, hoch im Norden, wo ein feuchtkalter Wind von der See hereinwehte, lag „Katrins Keramik“ fest verrammelt da. Aber gerade in diesem Augenblick klingelte das Telefon in dem dunklen, verlassenen Haus. Es klingelte und klingelte…
Dann verstummte es.
Und am anderen Ende der Stadt legte ein junger Mann mit einem kaum hörbaren Seufzer den Hörer wieder auf.
Vielleicht war es gut so. Es sollte so sein. Es hatte wohl seinen bestimmten Sinn.
Es war vielleicht besser für ihn, wenn ihm endlich jeder Gedanke an Regina verschwand.
Er hätte nur so gern gewußt, wie es ihr ging. Hatte Katrin nur bitten wollen, ihr einen Gruß zu bestellen.
Aber das Schicksal hatte wohl eine Absicht damit.
Katrins Liebe gilt nicht nur der Kunst
„Sehen Sie mal an, Fräulein Frank! Das nenne ich eine gute Arbeit. Aber fertig ist sie ja nicht.“
„Nein, das weiß ich, Herr Reisinger. Jetzt kommt erst noch die Retusche.“
„Ja, ganz recht. Und wenn die besorgt ist, wenn Sie sie ohne Fehl und Tadel schaffen, dann möchte ich behaupten, daß Sie in der Gipstechnik ganz schön weit vorangekommen sind. Dann wird es nicht mehr lange dauern, bis wir mit Bronze anfangen können.“
Regina stellte die Gipsfigur auf den Tisch, strich mit den Fingern an ihr entlang – ja, sieh mal an, dort am Rücken war eine Unebenheit – nicht viel, aber sie mußte beseitigt werden. Sie suchte unter den Werkzeugen, fand, was sie brauchte, und begann, vorsichtig an der Figur zu schaben und zu glätten.
Dann lächelte sie.
„Sie sind furchtbar streng, Herr Reisinger!“
„Na klar bin ich das. Sonst würden Sie ja nichts lernen. Und ebenso streng wie gegen andere bin ich auch immer gegen mich selbst gewesen.“
Er hatte eine kleine Bronzefigur vor sich, die er gerade patinierte. Zwischendurch sah er sie mit gerunzelten Brauen an, berichtigte hier etwas, wischte dort etwas fort und arbeitete dann weiter, langsam und sorgfältig, billigte sich die Zeit zu, die er nötig hatte.
„Ich kann nur nicht begreifen“, sagte Regina langsam, „daß Sie selber das Modellieren aufgegeben haben.“
„Es war auch nicht leicht, kleines Fräulein Regina. Ich war so überzeugt von meinem eigenen Talent, so sicher – und gerade dann, wenn man sich absolut sicher fühlt, kommt einen der Zweifel doppelt schwer an. Ist er aber erst in einem drinnen, dann breitet er sich aus, nistet sich ein, und dann geht es einem jämmerlich, bis man zu dem erhabenen Gefühl vorgedrungen ist, das Resignation heißt.“
„Ist das ein erhabenes Gefühl?“
„Ja, denn es ist ein Sieg, wenn man bis dorthin gelangt. Viele bleiben in der Bitterkeit stecken und kommen nicht weiter. Man muß sich quer durch die Bitterkeit hindurcharbeiten wie durch einen Urwald voll stechender Dornen. Eines Tages merkt man dann, daß man den Urwald hinter sich gelassen hat. Es wird wieder hell, und es gibt keine Dornen mehr, die einen stechen. Man ist zu einem friedlichen und durchsonnten Fleck hinausgelangt. In das stille Land der Resignation. Und dort bleibt man. Denn dort ist gut sein.“
„Und dann?“ fragte Regina ganz leise.
„Ja, dann ist man gewissermaßen reingewaschen – man hat alles, was einen gehindert und
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