Regina schafft es doch
Bielec…“
„… mit silbernen Schläfen…“ ergänzte Katrin mit bedeutungsvollem Blick.
„Bielec, mit viel zu früh versilberten Schläfen – du, vielleicht hat er auch sein eigenes Gebiß gemacht?“
„Regina, ich werde gleich handgreiflich! Er hat Zähne wie Perlen und er kann doch schließlich nichts dafür, daß er ein wenig Silber an den Schläfen hat; ich hatte einen Onkel, der war weiß, als er dreißig war…“
„Misch nun nicht deinen weißen Onkel in die Geschichte, das macht die Sache nur schwieriger. Also, dieser Wunderneffe, in den du dich nebenbei bemerkt vom ersten Augenblick an unsterblich verliebt hast, der will sich von dir eine Lampe machen lassen…“
„Ja, seine Mutter wünscht sich eine hübsche kleine Lampe für ihre gemütliche Ecke. Ausgerechnet mich fragte er, ob ich jemals mit Keramik gearbeitet hätte. Ich fragte zurück, ob er jemals mit Amalgam gearbeitet hätte; da lachte er furchtbar, und ich lachte mit. In zwei Tagen kommt er wieder ins Atelier, dann soll ich einen Entwurf für ihn fertig haben und ihm ein paar von meinen Keramiksachen zeigen…“
„Katrin, zeig ihm bloß nicht die himbeerroten Elefanten, dann zieht er seinen Auftrag zurück!“
„Er will nur sehen, ob ich die Technik beherrsche, du Schafskopf.“
„Ach so, ja. Aber entschuldige eine ganz nüchterne Frage, liebe Katrin. Wäre es nicht einfacher gewesen, wenn er seinen Onkel Tausing danach gefragt hätte?“
„Ach, Regina, bist du schwer von Begriff! Verstehst du nicht, daß er dann keinen Vorwand gehabt hätte, mich morgen wiederzusehen?“
„Ach, kommt er schon morgen? Dann ist es wohl besser, ich bleibe weg, damit du die interessanten silbernen Schläfen für dich allein hast!“
„Das schwör’ ich dir, das möchte ich auch. Du darfst ihn auch nicht nur ein bißchen anlächeln, ohne mich vorher zu fragen! Aber weißt du, er guckte sich ja auch dein Bübchen so verliebt an, wer weiß, vielleicht hat er es – sich anders überlegt, vielleicht bestellt er letzten Endes zwei Lämpchen, eins von dir und eins von mir. Regina, das wäre was, du… oh, Regina, das wäre was!“
Katrin arbeitete jeden Tag bei Professor Tausing. Regina teilte ihre Arbeit auf. Dreimal in der Woche war sie bei Tausing, drei Tage bei Reisinger. Sie wußte selber nicht zu sagen, was sie am meisten genoß und bei wem sie am meisten lernte. Sie fühlte nur, wie jeder Tag ihr neue Kenntnisse brachte und wie ihre Augen und Ohren immer empfänglicher und offener wurden in dieser Stadt mit all ihrer Schönheit und ihren wunderbaren Kunstwerken. Sie liebte es, in den Stadtpark zu gehen. Dann konnte sie lange dastehen und sich das Straußdenkmal anschauen, das Schubertdenkmal und den reizenden Brunnen mit den Donauweibchen.
Sie liebte es, durch den Belvederepark mit seinen vielen Skulpturen zu gehen. Sie schritt quer über den Burgplatz und kam sich klein vor unter den Reiterstandbildern von Prinz Eugen und Erzherzog Karl. Sie betrachtete Beethoven, Haydn und die Mozart-Skulpturen, das Kaiserin-Elisabeth-Denkmal und den wunderschönen Pallas-Athene-Brunnen. Ach, wie war sie froh, daß Tausing ausgerechnet in Wien daheim war! Sonst hätte sie nicht all diese Schönheit erleben können!
Nur einen Ort gab es, den anzusehen sie noch nicht die Kraft hatte – den schönsten von allen: Schönbrunn.
„Hast du etwa den gleichen Traum wie ich, Schönbrunn zu erleben? Dort fand der Wiener Kongreß statt – dort hielt Napoleon seinen Einzug – , dort lebte die bildschöne Kaiserin Elisabeth…“
Nein, sie hatte nicht die Kraft. Noch nicht. Sie wollte Wien nicht verlassen, ohne in Schönbrunn gewesen zu sein, aber sie wollte warten, so lange wie möglich warten.
Statt dessen konnte sie Reisinger beim Arbeiten zuschauen und ihn aus seiner Jugend erzählen hören, aus dem Wien der Kaiserzeit.
„Freilich habe ich den Kaiser gesehen, und was ich mein Lebtag nicht vergesse, das war sein Wagen mit dem Kutscher in Livree, der jeden Morgen um sechs Uhr durch die Stadt fuhr – mit zwei Pferden davor…. ach wo, der Kaiser saß nicht drin, nein, es war nur sein Wagen, der fuhr von der Hofburg zum Hofbäcker, um zwei Wecken zu holen – ja, zwei Wecken, die der Kaiser zum Frühstück aß, ohne Butter, nur mit einem Glas Milch dazu! Das wußte natürlich ganz Wien. Ach ja, und die bildschöne Kaiserin, mein Vater hatte sie gesehen, in der Galakutsche…“
Reisinger erzählte von den Galavorstellungen in der Oper, von Glanz und
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