Regina schafft es doch
schäme, wie ich mich noch nie in meinem Leben geschämt habe…“
Eine Geburtstagstorte bringt neue Überraschungen
„Schön, Regina… sehr schön! Sehen Sie, jetzt liegt etwas Gelöstes über Ihrem kleinen Jungen. Und wissen Sie, es steht ihm tatsächlich, daß er einen Auftrag hat, daß er nicht nur einfach da auf einem Sockel steht und sich zeigen soll. Nein, er muß hübsch artig eine Lampe halten und einer lieben, alten Dame leuchten. Das steht ihm sogar sehr gut.“
Regina lächelte matt. Sie stand bei Tausing im Atelier und machte das „Brunnenkind“ in neuer Ausgabe: als Lampe für Frau Bielec. Eine Miniatur vom „Brunnenkind“, kaum fünfundzwanzig Zentimeter hoch; einfach und rein in den Linien wie das Original, und trotzdem lebendiger, wärmer, weicher als vorher.
Der Professor blickte von der Figur auf Regina, von Regina auf die Figur. Er lächelte, und dann wanderte sein Blick zu Katrin hinüber, die an dem Gegenstück arbeitete – einer genauso großen Ausgabe ihres kleinen Amors.
„Das geht ja prächtig voran, und welchen Spaß macht es, zwei Konkurrentinnen dastehen und Seite an Seite in Frieden und Eintracht arbeiten zu sehen! Können sie für ein Stündchen ohne mich fertig werden? Ohne daß Sie sich gegenseitig die Zähne ausschlagen?“
„Das würde doch auch nichts machen“, lachte Katrin. „Für Doktor Bielec würde es ein Pappenstiel sein, sie wieder an ihren Platz zurückzusetzen!“
„Aber kein Pappenstiel für Sie, das Honorar zu bezahlen, kleines Fräulein Naseweis“, lachte der Professor. „Na schön, auf Wiedersehen ihr beiden, fahren Sie fort, wie Sie angefangen haben, dann kommen die Tonkinder in ein paar Tagen in den Ofen!“
Tausing ging, und Regina und Katrin arbeiteten weiter. Es war eine Weile still. Dann sagte Regina mit mühsamer Stimme: „Du, Katrin!“
„Würdest du mir einen Gefallen tun?“
„Wann würde ich das nicht tun? Wenn du bloß nicht von mir verlangst, daß ich dir den Leo mit den silbernen Schläfen überlasse!“
„Sei jetzt mal ernst, Katrin. Würdest du wohl nach Hause schreiben – an irgend jemanden, du kennst ja die halbe Stadt – und zu erfahren versuchen, ob Gert vielleicht geheiratet hat?“
Katrin ließ die Hand mit dem Tonklumpen sinken und richtete ihre Augen auf die Freundin.
„Ja, Regina, wenn du mich drum bittest – natürlich. Aber weshalb… weshalb willst du es dir selber so schwermachen, Mädchen?“
„Ich habe es in dieser ganzen Zeit so schwer gehabt, Katrin, daß ich diesen letzten Gnadenstoß noch hinnehmen kann. Aber ich kann es dir nicht erklären… noch nicht. Siehst du, ich habe so schreckliche Zweifel bekommen. Wenn ich erführe, daß Gert und Annette geheiratet haben, dann brauchte ich keine Zweifel mehr zu haben.“
„Und wenn sie es nicht getan haben?“
„Dann – dann muß ich alles von neuem durchdenken – , dann bin ich vielleicht allein die Schuldige – ach, Katrin…“
„Wie lange Zeit brauchen Briefe nach Hause, Katrin? Wie lange pflegt Post von deiner Mutter unterwegs zu sein?“
„Etwa zwei Tage. Ab und zu auch mal drei. Manchmal geht es schneller, manchmal dauert es auch länger.“
„Aha.“
Regina arbeitete weiter. Ihr „Kleiner Junge“ stand da und hob siegesbewußt den rechten Arm.
„Ich hab’ vor einer Woche geschrieben, Regina.“
„Ich weiß, Katrin.“
„Regina – darf ich dich mal etwas fragen?“
„Selbstredend – soviel du willst.“
„Was wirst du tun, wenn du erfährst, daß Gert nicht verheiratet ist?“
„Ihm schreiben. Das ist es ja, Katrin…“, Regina wandte sich ganz zu ihr um. Ihr Gesicht war weiß und zerquält. „Das ist ja das Schreckliche, was ich verbrochen habe, Katrin. Ich bin einfach von der Voraussetzung, daß Gert mich betrogen hat, ausgegangen, wie von einer Tatsache. Keine Sekunde habe ich an die Erklärung gedacht, die doch so klar, so einleuchtend ist: Gert würde nie sein Ehrenwort brechen. Wenn er sein Ehrenwort gibt, ist er im guten Glauben! Dann hat ein anderer gelogen oder sich geirrt – so wie Frau Reisinger mit der Uhr neulich! Und ich hätte ihm schreiben müssen. Katrin, ich hätte ihm sagen müssen, daß ich zufällig erfahren hätte, daß Annette das Schlafende Kind’ hat. Ich hätte ihn um eine Erklärung bitten sollen, ja, notfalls hätte ich nach Kopenhagen fahren sollen, um mit ihm zu sprechen. Aber was habe ich getan? Geschwiegen, geschwiegen, ein halbes Jahr lang geschwiegen! Ich, die ich so
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