Regina schafft es doch
Unterhaltung mit einer guten Tasse Kaffee unterstreichen mußten. Und Katrin dachte derweil an Regina – sie hatte es vielleicht auch nötig, sich ein wenig zu stärken, denn sie würde die halbe Nacht aufsitzen und schreiben, wenn Katrin sich nicht sehr täuschte.
Und Katrin täuschte sich nicht.
„Ah, du bist’s, Leo! Hast du Zeit, deinen alten Onkel mitten am Tag zu besuchen?“
„Nein, keineswegs. Ich hatte in der Stadt zu tun und will eine Kleinigkeit essen gehen, und da wollte ich eben mal ‘reinschauen. Guten Morgen, Fräulein Katrin! Na, Sie sind heute allein?“
„Allein dürfte etwas übertrieben sein“, lächelte Katrin und ließ die Augen in dem großen Atelier umherwandern. Es waren außer ihr noch fünf andere Schüler da.
„Ich meine natürlich ohne Ihre Freundin.“
„Ja, Regina ist heute bei ihrem geliebten Gießer.“
„Sagen Sie mal, sind Sie nicht zufällig hungrig?“
„Hungrig? Allerdings bin ich das. Ich stehe da und habe das allergrößte Verlangen nach meinem Butterbrotpaket – ich will mich nur eben waschen und dann…“
„Ausgezeichnet. Waschen Sie sich und nehmen Sie Ihr Butterbrotpaket mit. Die Schwäne im Park freuen sich immer sehr darüber. Und Sie kommen und essen mit mir zusammen.“ Katrin strahlte Doktor Bielec an. „Oh, schrecklich gern, Herr Doktor!“
„Wie bezaubernd!“ sagte Katrin. Sie blickte sich in der alten Gastwirtschaft mit den Bauernmöbeln und kleinkarierten Tischtüchern um. Die Gaststube, in der sie saßen, war niedrig und bis zur Decke mit altem Zinn und Messing geschmückt.
„Wie nett, daß Ihnen mein Stammlokal gefällt! Und dann das Essen hier – es ist in all seiner Einfachheit sehr gut. Was möchten Sie trinken?“
„Zitronenlimonade bitte!“
„Keinen Alkohol?“
„Nein danke. Nicht mitten am Tage.“
„Aber Sie müssen. Sie können hinterher so viel Zitronenlimonade bekommen, wie Sie wollen, aber ein Gläschen müssen Sie wenigstens trinken.“
Dr. Bielec sah lächelnd auf sie nieder, tuschelte mit dem Kellner, und dann kam eine winzig kleine Flasche Sekt auf den Tisch.
„Sehen Sie, so viel vertragen wir beide schon.“
Er hob das Glas.
„Also, kleine Katrin – meinen herzlichsten Glückwunsch und alles Gute für Ihr neues Lebensjahr!“
„Wie – wie in aller Welt wissen Sie das?“ stotterte Katrin.
„Ein sechster Sinn, Katrinchen!“
„Haben Sie es etwa an meinen Zähnen gesehen?“
„Nein. Aus Ihrem Paß!“
„Paß – den habe ich Ihnen doch aber nie gezeigt…“
„Nein. Aber wenn Sie in Mutters Hausflur Ihre Handtasche offen stehenlassen und der Paß guckt ‘raus und ich möchte gern Ihren Geburtstag erfahren, dann bin ich ein so großer Schurke, daß ich mir den Paß aus der Tasche hole und nachsehe!“
„Sie sollten sich schämen, Doktor!“
„Das tue ich auch. Und ich freue mich schon drauf, daß Sie mir vergeben. Es wird Ihnen sicherlich besonders gut stehen, wenn Sie einem reuigen Mann vergeben!“
Dr. Bielec winkte wieder dem Ober, und dieser kam mit einem breiten Lächeln und stellte einen großen Rosenstrauß vor Katrin.
Sie schnappte nach Luft.
„Oh, wie ist der schön! Nein, Doktor, ich muß schon sagen, Sie haben wirklich Talent, so was zu arrangieren – all dies haben Sie im voraus geregelt?“
„Ja klar! Den Sekt auf Eis und die Blumen bei der Hand, es kommt auch noch mehr. Ich dachte, wir müßten das Feiern heute vormittag gründlich erledigen, denn heute nachmittag werden Sie doch sicher mit Regina feiern?“
„Ja, das tue ich – und abends gehen wir in die Oper! Heute morgen habe ich übrigens Kaffee im Bett getrunken, den hat Regina mir gebracht, und ich habe einen Brief von Mami bekommen und Geschenke und…“
Jetzt wurde das Wiener Schnitzel aufgetragen und Katrin beschäftigte sich ausgiebig damit.
„Sie bekommen nirgendwo anders in Wien ein so gutes Schnitzel“, erklärte Dr. Bielec. „Aber, Katrin, Sie müssen noch ein bißchen Platz lassen, Sie bekommen auch einen Nachtisch.“
Katrin aß mit größtem Genuß. Sie gehörte nicht zu jenen jungen Mädchen, die den Appetit verlieren, wenn sie verliebt sind. Im Gegenteil, wenn Katrin glücklich war, schmeckte es ihr doppelt gut, und glücklich war sie gerade – unsagbar glücklich!
„So“, sagte Dr. Bielec und lächelte dem väterlichen alten Kellner zu. „Und nun die Geburtstagstorte!“
Der Ober hatte geradezu etwas Feierliches an sich, als er eine silberne Platte brachte, die er vor Katrin
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