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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schrecklich und traurig und unerklärlich zugleich ist: einen dunklen Schatten, der nur eines sein kann. Groteskerweise leuchtet die Pointe eines alten Witzes wie eine Neonreklame in seinem Gedächtnis auf: Die beiden andern kenn ich nicht, aber der in der Mitte sieht aus wie Willie Nelson.
    Er lacht im Regen laut auf. Peter Jacksons Frau, die Buchhalterin, ist gerade von einem Gespenst getötet worden, aus einem Lieferwagen heraus erschossen worden, der von einem anderen Gespenst gesteuert wurde (dem Geist eines Außerirdischen in einer Sesech-Uniform), und die Dame ist ohne Höschen gestorben. Das ist alles gar nicht komisch, aber er lacht trotzdem. Vielleicht nur, damit er nicht schreit. Er fürchtet, wenn er damit anfangen würde, könnte er nicht mehr aufhören.
    Nun dreht sich das leuchtendgraue Wesen am Lenkrad zu ihm um, und Johnny bemerkt nur einen Sekundenbruchteil, wie es ihn ansieht und ihn mit seinen großen Mandelaugen mustert, und er hat das Gefühl, daß er dieses Ding schon einmal gesehen hat, was selbstverständlich Wahnsinn ist, aber das Gefühl ist trotzdem ausgesprochen stark. Es dauert nur einen Augenblick, dann ist der Lieferwagen vorbei.
    Aber er hat mich wirklich gesehen, denkt Johnny. Dieses Ding mit der Maske (es muß eine Maske gewesen sein) hat mich gesehen und markiert, wie man ein Eselsohr in die Seite eines Buchs macht, damit man die Stelle später wieder findet.
    Die Flinte wird noch zweimal abgefeuert, und zuerst kann Johnny nicht sehen, was das zu bedeuten hat, weil der blaue Lieferwagen im Weg ist - er glaubt, daß er über das Tosen des Sturms hinweg Glas bersten hören kann, aber das ist alles. Dann verschwindet der Lieferwagen im peitschenden Platzregen, und er sieht David Carver inmitten der Glasscherben des zerschellten Wohnzimmerfensters tot auf dem Fußweg zu seinem Haus liegen. Eine rote Pfütze befindet sich in der Mitte von Carvers Bauch, umgeben von zerfetztem weißem Fleisch, das wie Talg aussieht, und Johnny denkt, daß Carvers Tage als Postangestellter vorüber sind, ganz zu schweigen davon, daß er nie wieder sein Auto waschen wird.
    Der blaue Lieferwagen fährt schnell zur Ecke. Als er dort ankommt und rechts in die Bear Street einbiegt, sieht er für Johnny genau wie das Trugbild aus, das er von Rechts wegen auch sein sollte.
    »Herrgott, sehen Sie sich das an!« schreit Brad und läuft auf die Straße.
    »Bradley, nein!« Seine Frau streckt die Hand nach ihm aus, aber zu spät. Unten an der Straße kommen die ReedZwillinge in ihre Richtung gelaufen.
    Johnny läuft mit tauben, unsicheren Beinen auf die Straße. Er hebt eine Hand, stellt fest, daß die Fingerspitzen bereits weiß und verschrumpelt sind (er sieht alles, ja, allerdings, und wie konnte ein Kerl in der Maske eines Außerirdischen aus den Unheimlichen Begegnungen einem nur bekannt vorkommen) und streicht sich das nasse Haar aus den Augen. Ein Blitz zuckt über den Himmel wie ein heller Riß in einem dunklen Spiegel, dicht gefolgt von Donner. Seine Füße quatschen in den Turnschuhen, und er kann feuchten Pulverrauch riechen. Noch zehn oder zwanzig Sekunden, und der Rauch wird sich verzogen haben, das weiß er, zu Boden gehämmert und von dem sintflutartigen Regen fortgespült, aber im Augenblick ist er noch da, als wollte er verhindern, daß Johnny auch nur auf den Gedanken käme, es könnte alles eine Halluzination gewesen sein ... ein »Gehirnkrampf«, wie seine Ex-Frau Terry immer gesagt hat. Und ja, er kann Mary Jacksons Muschi sehen, dieses heißbegehrte Teil der weiblichen Anatomie, das in fernen High-School-Zeiten auch die »bärtige Muschel« genannt wurde. Er will das nicht denken - will auch nicht sehen, was er sieht, da wir schon dabei sind -, aber er hat hier nichts zu sagen. Sämtliche Barrieren in seinem Geist sind gefallen, wie früher beim Schreiben (das war einer der Gründe, weshalb er aufgehört hat, Romane zu schreiben, nicht der einzige, aber ein wichtiger), der Lauf der Zeit wird langsamer, je akuter seine Wahrnehmung ist, bis er sich vorkommt wie in einem Film von Sergio Leone, wo Leute sterben, wie sie sonst in einem Unterwasserballett schwimmen. Klitzekleines Baby Smitten, dachte er und hörte wieder die Stimme aus dem Telefon. Du beißt gern in Mamas Titten. Warum sollte ihn diese Stimme an den Mann in dem bizarren Kostüm und der noch bizarreren Alien-Maske mit den Mandelaugen erinnern?
    »Was, im Namen von Jesus H. Sodapop Christus, ist passiert?« fragt eine Stimme neben ihm.

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