Regulator: Roman
möglichst noch bevor Peter sie eingehender betrachten konnte. Und, ermahnte sie sich, sie mußte einen Schlüpfer aus der obersten Schublade nehmen und mit Rock und Bluse in die Schmutzwäsche werfen. Der, den sie heute getragen hatte - was noch davon übrig war -, lag derzeit unter dem Bett von Zimmer 203. Gene Martin, ein Wolf im Buchhalterpelz, wenn es je einen gegeben hatte, hatte ihn ihr buchstäblich vom Leib gerissen. Huch, du Bestie, sprach die Jungfer hold.
Die Frage war, was tat sie da? Und was sollte sie tun? Sie hatte Peter in den ganzen neun Jahren ihrer Ehe geliebt, nach der Fehlgeburt noch mehr als vorher, falls das überhaupt möglich war, und liebte ihn immer noch. Das änderte nichts an der Tatsache, daß sie jetzt schon wieder bei Gene sein und Sachen mit ihm anstellen wollte, an die sie bei Peter niemals auch nur gedacht hatte. Schuldgefühle froren ihren halben Verstand ein, Wollust grillte die andere Hälfte, und dazwischen, in einer Art schrumpfender Twilight-Zone, steckte die maßvolle, gutgelaunte, vernünftige Frau, für die sie sich immer gehalten hatte. Sie hatte eine ehebrecherische Affäre, und der Mann, mit dem sie sie hatte, war ebenso verheiratet wie sie; sie befand sich auf dem Heimweg zu einem guten Mann, der nichts ahnte (sie war sicher, daß er nichts ahnte, betete, daß er nichts ahnte, natürlich ahnte er nichts, wie sollte er), trug keine Unterwäsche unter dem Rock, war immer noch wund von ihren Abenteuern und wußte nicht, wie das alles angefangen hatte und warum sie wollte, daß etwas so Dummes und Abgeschmacktes weiterging, der gottverdammte Gene Martin hatte kein Gehirn im Kopf, aber selbstverständlich interessierte sie sich auch nicht für seinen Kopf, sein Kopf hätte ihr nicht gleichgültiger sein können, und was sollte sie nur tun? Sie wußte es nicht. Sie wußte nur eines sicher, nämlich wie sich Drogensüchtige fühlen mußten, und sie würde in ihrem ganzen Leben keinen mehr verurteilen. Einfach nein sagen? Also wirklich, Mutter!
Diese chaotischen Gedanken gingen ihr beim Fahren durch den Kopf, die Vorstadtstraßen zogen wie Wegemarken aus einem Traum an ihr vorbei, und sie hoffte, Peter würde nicht zu Hause sein, wenn sie heimkam, er würde vielleicht zu Milly's am Plätzchen gegangen sein, um Eis zu holen (oder, noch besser, ein paar Wochen nach Santa Fe, um seine Mutter zu besuchen, das wäre großartig, das würde ihr die Möglichkeit geben, dieses schreckliche Fieber zu überwinden, das wie Scheiße stank und sich wie Ekstase anfühlte). Sie merkte nicht, daß der Nachmittag immer dunkler wurde und viele der entgegenkommenden Wagen die Scheinwerfer eingeschaltet hatten; sie hörte weder den Donner, noch sah sie die Blitze. Ebensowenig den gelben Lieferwagen, der an der Ecke Bear Street und Poplar parkte, als sie an ihm vorbeifuhr.
Aus ihrer Träumerei riß sie erst der Anblick von Brad und Belinda Josephson, die vor ihrem Haus standen. Johnny Marinville war bei ihnen. Weiter unten auf der Straße sah sie noch mehr Leute: David Carver stand in einer fast obszön engen Badehose in seiner Einfahrt und stemmte die Hände an die wulstigen Hüften ... die ReedZwillinge ... Cammie, ihre Mutter ... Susi Geller und eine Freundin auf dem Rasen in ihrem Vorgarten, und Kim Geller dahinter...
Ein entsetzlicher Gedanke kam ihr: Sie wußten es. Alle wußten es. Alle warteten auf sie, weil sie Peter helfen wollten, sie an einem Gallapfelbaum aufzuhängen oder sie zu steinigen wie die Frau in der Story von Shirley Jackson, die sie damals auf der High School gelesen hatte. Mach dich nicht lächerlich, sagte der Teil von ihr, der noch ihr gehörte. Dieser Teil war momentan beunruhigend klein, aber noch vorhanden. Es geht nicht immer nur um dich, Mare; in welcher Scheiße du dich auch gewälzt haben magst, die Welt dreht sich nicht nur um dich, also warum entspannst du dich nicht ein bißchen? Wahrscheinlich wärst du nicht halb so paranoid, wenn du nicht ohne Höschen herumfahren -
O Scheiße. War das Peter, da unten am Ende der Straße? Sie konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber es sah so aus. Peter und Doc von nebenan. Sie schienen etwas auf dem Rasen des kleinen Hauses gegenüber vom Laden zuzudecken.
Donner krachte so heftig, daß sie nun endlich doch zusammenzuckte und keuchte. Die ersten Regentropfen, die sich wie Metallsplitter anhörten, klatschten auf das Glas der Windschutzscheibe. Sie stellte fest, daß sie mit laufendem Motor hier an der Kreuzung stand
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