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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schlammbraunen Augen angesehen hatte, die in einen Sumpf unter einen Baumstamm gehörten. Bill hatte nur sagen dürfen, was Tak ihm erlaubte, wie jemand, dem man eine Pistole an den Kopf hält. Er hatte seine unbeholfenen Lügen erzählt und sein unnatürliches Cocktailpartylachen ertönen lassen, ha-ha-ha.
    Das Ding in Seth hatte Herb im Lauf der Zeit bei lebendigem Leib aufgefressen, und nun versuchte es, sie aufzufressen, aber sie unterschied sich offenbar in einer entscheidenden Hinsicht von Herb: Sie hatte eine Zuflucht. Die hatte sie möglicherweise zufällig entdeckt, möglicherweise mit Hilfe von Seth - dem richtigen Seth -, und sie konnte nur beten, daß Tak nie herausfand, was sie tat oder wohin sie ging. Daß das Monster ihr niemals in ihre Freistatt folgen konnte. Im Mai 1982, als sie einundzwanzig und noch Audrey Garin gewesen war, hatten sie und ihre Zimmergenossin Janice Goodlin (die auch ihre beste Freundin war, damals wie heute) ein wunderbares Wochenende - höchstwahrscheinlich das perfekteste Wochenende in Audrey Wylers Leben - im Mohonk Mountain House im Staat New York verbracht. Die Reise war ein Geschenk von Jans Vater gewesen, der für seine Umsätze im Vertrieb einen Geldpreis von seiner Firma bekommen hatte und dabei auch zwei oder drei Sprossen die Karriereleiter hinaufgeklettert war. Wenn es seine Absicht gewesen war, andere an seinem Glück teilhaben zu lassen, war ihm das mit den beiden jungen Frauen großartig gelungen.
    Am Samstag des magischen Wochenendes hatten sie ein Picknick vorbereitet (das sie in der Küche in einem wunderbar altmodischen Weidenkorb verstauten) und waren stundenlang spazierengegangen, um nach der perfekten Stelle zu suchen. Normalerweise findet man sie gerade dann nicht, aber sie hatten Glück gehabt. Es war eine wunderbare, fast unberührte Hochlandwiese mit Butterblumen und Gänseblümchen und wilden Rosen. Bienen summten, weiße Schmetterlinge tanzten wie verzaubertes Konfetti, das niemals zur Erde fällt, in der warmen Luft. An einem Ende die -ser Wiese lag ein exzentrisch wirkendes kleines, kuppeiförmiges Ding - Janice sagte, man würde Folly dazu sagen und könne sie überall auf dem Gebiet der Mohonk finden. Es hatte ein Dach, um Schutz und Schatten zu bieten, war aber nach allen Seiten offen, um Luft und Aussicht zu gewähren. Die beiden Frauen hatten unglaublich viel gegessen, geredet wie die Wasserfälle und zu drei verschiedenen Anlässen so sehr gelacht, daß ihnen Tränen über die Wangen gelaufen waren. Audrey glaubte nicht, daß sie seitdem je wieder so herzlich gelacht hatte. Sie vergaß nie das leuchtende, klare Sommerlicht dieses Nachmittags, ebensowenig wie die tanzenden weißen Schnipsel der Schmetterlinge. An diese Stelle kehrte sie zurück, wenn Tak herauskam und die uneingeschränkte Kontrolle von Seth übernahm. Dort versteckte sie sich mit einer Janice, die noch Goodlin statt Conroy hieß, einer Janice, die noch jung war. Manchmal erzählte sie Janice von Seth - wie er zu ihnen gekommen war, und daß weder sie noch Herb festgestellt oder vermutet hatten (jedenfalls anfangs nicht), was in Seth steckte, ein Ding, das sich mucksmäuschenstill verhielt, sie beobachtete, seine Kräfte sammelte und auf den geeigneten Zeitpunkt wartete, um herauszukommen. Bei diesen Gelegenheiten erzählte sie Jan manchmal, wie sehr sie Herb vermißte und welche Angst sie hatte ... daß sie sich gefangen fühlte wie eine Fliege im Spinnennetz oder ein Kojote in einem Tellereisen. Aber solche Worte schienen gefährlich zu sein, daher versuchte Audrey, sie zu vermeiden. Meistens spielte sie nur die reizenden Nebensächlichkeiten dieses längst vergangenen Tages durch, als Reagan in seiner ersten Amtszeit gewesen war und in den Schallplattenläden noch richtige Platten aus Vinyl standen. Ob Ray Soames, Jans damaliger Freund, sich als zärtlicher und rücksichtsvoller Liebhaber erweisen würde (egoistisch wie ein Schwein, hatte Jan drei Wochen später in sachlichem Tonfall berichtet, kurz bevor sie Ray mit seinem aufreizend guten Aussehen endgültig den Laufpaß gab); welche Jobs sie einmal haben würden; wie viele Kinder sie bekommen wollten; und wer aus ihrem Freundeskreis es am weitesten bringen würde. Alles war erfüllt von der großen, aber unausgesprochenen - vielleicht hatten sie nicht gewagt, davon zu sprechen, weil sie Angst gehabt hatten, es könnte alles verderben -Freude an dem Tag, an der unspektakulären Gesundheit zweier junger Frauen und an der

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