Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
das Sonia und ich führten, war absurd. »Ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken«, rief ich und hielt mich am Gasherd fest, als befürchtete ich, fortgerissen zu werden.
    »Ich hab den Eindruck, das kommt von drau ßen«, erklärte Sonia. Sie fügte hinzu, Boris sei auf dem Weg zu uns, und winkte mich herbei, damit auch ich die Spiegelung des Monds auf dem Ozean bewundern könne, wenn ich mich ein wenig bückte.
    »Aber anschließend haut sie ab, nicht wahr?« flüsterte sie mir ins Ohr.
    »Natürlich. Zumindest nehme ich das a n. « »Sonst sorge ich dafür, daß sie abhaut.«
    Ich richtete mich wieder auf und ignorierte sie. Ich sog die Luft ein und sagte mir, daß wohl ir gendwo in der Umgebung eine Gasleitung leck sein müsse - beim letzten Mal hatten wir drei Tage lang kein Wasser.
    »Sonia hat recht«, verkündete meine Mutter. »Das kommt nicht von hier.« Ich strich eine Minu te lang um sie herum, verzog das Gesicht, wenn sie mich nicht sah, vergewisserte mich, daß sie nichts brauchte, und war Sonia zutiefst dankbar, daß sie die heldenmütige Anstrengung unternommen hat te, sich neben sie zu setzen und ihr gut zuzureden. Dann ging ich vors Haus, um nachzusehen, ob Bo ris noch nicht da war.
    Auf der Straße war alles ruhig. Das Auto mei ner Mutter stand gegenüber, vor dem Haus, in dem die Dorcets wohnten - ein jun- ges Paar, das in der Modebranche arbeitete und erst am frühen Morgen heimkehrte oder bei uns anklopfte, wenn noch Licht brannte. Sie kamen in dem Augenblick aus der Tür, als ich die Straße überquerte, und hat ten offen- sichtlich vor, sich die Nacht um die Oh ren zu schlagen.
    Das Auto meiner Mutter rauchte noch. Der Kühlergrill war abgefallen, und die Motorhaube hatte eine zwanzig Zentimeter tiefe Beule.
    »Ich hoffe, sie hat nichts abgekriegt«, sagte Dora, während sie mir einen Kuß auf die Wange drück te, sich eng an mich schmiegte und meinen Arm so fest preßte, als handle es sich dabei um eine unter schwellige Nachricht.
    Ich beruhigte sie, während David einen Scherz über unser kleines Erdbeben und diesen Gas- geruch machte, der die Straße verpestete.
    »Weißt du, ob Jon mal endlich ihren Arsch bewegt?« fragte er mich. »Denn allmählich werde ich kribbelig. Ich kann bald nicht mehr die Zeitung aufschlagen.«
    Ich sah ihnen nach. David war früher mal mit Sonia zusammengewesen, zu einer Zeit, als sie noch ziemlich ausgeflippt waren und sie gemein- sam ir gendwo eine Bude teilten, ehe sie anfingen, sich fürs Geld zu interessieren, und als die beiden gemerkt hatten, daß wir Krach miteinander hatten, hatte er mir einen Tauschhandel vorgeschlagen. »Denk dar über nach. Du brauchst mir nur Bescheid zu sa gen.« Das war in einer kühlen Aprilnacht gewesen, und auf der Bühne rezitierte ein Typ Gedichte, die niemand verstand.
    Eine Minute später untersuchte Boris die Stirn meiner Mutter und beglückwünschte sie. Seine Frau Odile stellte uns vor die Wahl: Entweder wir träfen uns mit den anderen, oder wir verbrächten den Abend alle gemeinsam in Ruhe bei uns.
    »Ich weiß nicht so recht«, erwiderte ich. »Sonia, was meinst du?«
    Sonia schien überrascht zu sein. Sie stammelte ein paar unverständliche Worte, während Odile fragte, was es zu trinken gäbe.
    »Werft bloß meinetwegen nicht euer Programm über den Haufen«, meinte meine Mutter und stütz te sich auf den Ellbogen.
    Ich setzte mich neben sie, während Boris die Wunde, die einem dritten Auge glich, desinfizierte und sich fragte, ob er eine örtliche Betäubung vornehmen solle oder nicht. Er fügte zu mir gewandt hinzu, daß seine Aktien bei Börsenschluß schon wieder acht Punkte verloren hätten, aber daß er lieber über etwas anderes reden wolle, so sehr habe er die Nase voll davon.
    Odile schien wirklich in Form zu sein - so war das bei ihr, entweder sie war topfit, oder sie hing völlig durch. Strahlend brachte sie uns Gläser. Bo ris flüsterte mir ins Ohr, daß sie eine Rolle in einer Fernsehserie bekommen habe, die im Herbst be ginnen würde, aber solange sie noch nicht den Vertrag unterzeichnet habe, müsse die Sache noch top secret bleiben — vor allem, da sie sich weigere, mit diesen Typen zu schlafen, mit diesen Arschlöchern, wie er präzisierte, auch wenn das ihrer Karriere schade.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte sie zu mei ner Mutter, während ich das Blut rings um die Wunde abtupfte. »Mit Boris brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Er ist irre geschickt, stimmt's,

Weitere Kostenlose Bücher