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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Momente ganz jämmerlich hätten aussehen können? Daß wir im Streit aus dem Leben hätten gehen können? Gibt dir das nicht zu den ken?«
    »Nein. Nicht sonderlich. Sag mal, findest du nicht, daß es nach Gas riecht?«
    Ich wollte mich gerade über den Herd beugen - wir hatten ihn kurz nach unserer Hochzeit mit großer Sorgfalt ausgesucht, aber das war, als kaufe man sich einen Rolls-Royce, um hundert Meter weit zu fahren, denn wir aßen fast immer auswärts -, um zu prüfen, ob er irgendwo undicht war, als Sonia sich an meinen Rücken schmiegte und mir die Arme um die Brust schlang.
    »Gibt dir das wirklich nicht zu denken?« flü sterte sie und klammerte sich an mich wie an eine vom Sturm gepeitschte Luftmatratze.
    In die Enge getrieben hielt ich mich an der kupfernen Stange unseres Herds fest, senkte den Kopf und schloß die Augen. Als wüßte ich nicht, daß wir es schon lange nicht mehr getan hatten. Als würde mir dieses Erdbeben nicht zu denken geben, Sonia hatte da schon recht. Sollte man nicht jedem Augenblick im Leben äußerste Aufmerksamkeit schenken und ihn sozusagen zur letzten Zigarette vor der Hinrichtung machen, jener Zigarette, über die man soviel Gutes berichtet und von der man sagt, daß sie die Königin aller Zigaretten sei und nichts über sie gehe? Sollen wir uns nicht lieber in die Lüfte erheben, anstatt über unsere Trümmer zu kriechen, sollten wir nicht das Maß all dessen nehmen, was uns umgibt? Ich spürte, wie es mir heiß und kalt den Rücken hinablief, während sie mir sanft die Bauch muskeln streichelte.
    »Sonia, hör zu ...«, sagte ich im Ton eines Ster benden - die Lust verbreitete sich wie Gift in mei nen Adern, ließ meine Kiefermuskeln erstarren und meine Knie weich werden.
    Beim letzten Mal, als wir gevögelt hatten, hatte sie den Rest der Nacht damit verbracht, mir zu erklären, daß wir diese Krise zwangsläufig überwin den würden, da mein Körper zu ihr gesprochen habe, mein Körper habe ihr Dinge gesagt und sie davon überzeugt, daß wir die Sache bald in den Griff bekommen würden und diese unangenehme Geschichte wieder vergessen könnten. Unter die sen Umständen zog ich es vor, nicht mehr mit ihr zu bumsen, damit mein Körper ihr nicht irgendwelchen Scheiß erzählte, während mir die Zukunft ziemlich düster erschien.
    Sie forderte mich auf, eine halbe Drehung zu machen, umschlang mich erneut und legte mir den Kopf an die Brust.
    »Sei still, sag keinen Ton«, gebot sie mir. »Ich sage ja gar nichts«, erwiderte ich.
    Wir vögelten seit knapp drei Minuten im Ste hen, als meine Mutter wieder auftauchte.
    Sie kam taumelnd herein. Wir zuckten zusammen und erstarrten.
    Sonia unterdrückte einen Fluch, dann trennten wir uns blitzartig und brachten beide so gut es ging unsere Kleidung wieder in Ordnung -
    Sonia glitt hinter die Bar, um schnell ihren Slip hochzuziehen, während sich meine Mutter suchend nach uns umblickte.
    Da stellte ich fest, daß ihr Kopf blutverschmiert war.
    Ein Autounfall, wie sie uns erklärte. »Ich bin ganz normal gefahren, und plötzlich ist ein Bau kran quer über die Straße gestürzt.« Ich brachte sie zu einem Sessel.
    Sie hatte eine tiefe Schnittwunde auf der Stirn, und das Blut rann ihr übers Gesicht. Ich wollte sie ins Krankenhaus bringen, aber sie weigerte sich strikt, denn sie hatte keine Lust, von irgendeinem diensthabenden Stationsarzt entstellt zu werden.
    »Sie hat recht«, bestätigte Sonia in finsterem Ton. »Ich rufe Boris an.«
    Mit einem schwachen Lächeln preßte meine Mutter ein Frotteetuch auf die Wunde, und ich hielt ein weiteres bereit. »Es hat viele Unfälle in der Stadt gegeben«, seufzte sie. »Auf die Unfallstation verzichte ich lieber. Nein danke, das ist nichts für mich.« Ich fragte mich, ob sie etwas gesehen hatte, ob sie gese hen hatte, was Sonia und ich gerade gemacht hatten. Eine Situation, die allen peinlich gewesen wäre, die uns aber offensichtlich erspart blieb.
    »Geht es so?« fragte ich und nahm ihre Hand. Sie entschuldigte sich für die Unannehmlichkei ten, die sie uns bereite, aber ich beruhigte sie. So nia ging im Garten auf und ab und telefonierte.
    Meine Mutter hob den Kopf und sagte: »Fin dest du nicht, daß es hier nach Gas riecht?«
    Ich untersuchte noch einmal den Küchen- herd. Beim Anblick meiner blutüberströmten Mu tt er konnte ich nicht umhin, an das Leben zu denken, das ich führte, an die Zwickmühle, in die ich geraten war, und all das kam mir wieder einmal absurd vor. Das Leben,

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