Reibereien
vor.
Zu Beginn, als Sonia uns miteinander bekannt gemacht hatte, hatte Odile sogleich erklärt, daß ich haargenau ihr Typ sei und Sonia gut daran täte, mich unter Verschluß zu halten. Drei Jahre später beklagte sie sich offen darüber, daß ich sie immer noch nicht vergewaltigt hatte, und erklärte sogar, daß sie absolut nicht mehr daran glaube und die Welt zutiefst ungerecht sei. Drei Jahre später hätte niemand auch nur im Traum daran gedacht, daß sich unsere Beziehung eines Tages ändern könne. Odile schon gar nicht, auch wenn sie sich noch immer das Recht herausnahm, sich mir bei jeder Gelegenheit an den Hals zu werfen.
Ich stell te e rf reut fest, daß ihre Sinne trotz mei ner passiven Haltung ihr gegenüber noch nicht eingeschlafen oder abgestumpft waren. Ein einziger B li ckwechsel hatte genügt. Ich richtete mich lä chelnd wieder auf und bewunderte im stillen ihre Fähigkeit, den leisesten Spannungswechsel in der Atmosphäre wahrzunehmen, wozu Männer nur in den seltensten Fällen fähig sind - ich inbegriffen.
Ich spürte, wie ihr Blick auf meinem Rücken ruhte, während ich zurückging, um mir ein Glas einzuschenken.
»Ich bin sicher, daß du es nicht bereuen wirst«, sagte ich zu Sonia und legte ihr die Hand auf den Schenkel. »Improvisierte Feten sind immer die besten. Und wer weiß, vielleicht bringt uns Jon etwas mit.«
Sie schien nicht sehr überzeugt zu sein und sag te: »Was für ein Spielchen treibst du da eigentlich?«
»Nichts Besonderes. Ich führe das zu Ende, was du angefangen hast.«
»Was soll denn das heißen?«
Ich zuckte leicht die Achseln und er- widerte: »Ich glaube, ich werde mit Odile vögeln. Wenn sich die Gelegenheit bietet.«
Sie stieß meine Hand von ihrem Schenkel zu rück.
»Tolle Idee. Und was sonst noch?«
Ich beugte mich zu ihr herab, um ihr einen Kuß auf den Mundwinkel zu drücken, dann richtete ichmich wieder auf und ging in den Keller, um nachzusehen, ob wir noch genügend Alkohol vorrätig hatten, und um mein altes Sofa - dieses scheußliche Stück kommt mir nicht ins Wohnzimmer - für alle Fälle freizuräumen - es war voller Kartons mit Sa chen aus meinem früheren Leben, aus der Zeit, in der meine Mutter und ich mal hier, mal dort gelebt hatten und von der Sonia nichts hören wollte. Und da noch immer dieser unerklärliche Gasgeruch zu spüren war, öffnete ich auch gleich noch die Fenster, die knapp über dem Erdboden lagen. Die Straße, gesäumt von Laternen, deren Licht in den hohen Bäumen tanzte, lag ruhig und geheimnisvoll da.
Ich ging mit einem Stapel Handtücher nach oben. Ich warf Boris eins zu, entfaltete ein anderes und legte es Odile um die Schultern, aber ohne es dabei zu übertreiben.
Wir hörten The Hanging Garden von The Cure, und Sonia lauschte der Musik mit geschlossenen Augen. Ich hatte nicht das geringste Mitleid mit ihr. Ich konnte mir nicht mal vorstellen, daß sie bald die Mutter unseres Kindes sein würde. Und ich nehme an, daß auch sie es sich nicht vorstellen konnte. Die Tatsache, daß sie schwanger war, hatte sie in keiner Weise bremsen können. Und wenn die Schwangerschaft eine Frau nicht bremsen kann, was soll sie dann bremsen?
Odile warf mir Blicke zu, die Bestätigung such ten oder für den Bruchteil einer Sekunde buch stäblich glasig wurden. Sie hatte Boris beauftragt, einen Ohrring zu suchen, den sie im Gras verloren hatte, und die Hand auf die Brust gelegt. Wie vie le Frauen hatten genau in diesem Augenblick die Hand auf der Brust liegen? Wie viele Männer wa ren im Begriff, den Partner zu wechseln? Wie viele Lüste würden befriedigt werden, ohne daß sich je mand Gedanken über die Folgen machte? Gab es ein Fleckchen, wo man festeren Boden unter den Füßen hatte? Gab es etwas, das sich lohnte? Ich kann es nicht sagen. Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Aber wie meine Mutter immer wieder behauptete: »Du weißt nicht, was Liebe ist. Solange du nicht weißt, was Liebe ist, kannst du gar nicht mitreden. Es ist, als wärst du noch nicht geboren. Im Grunde habt ihr von nichts eine Ahnung. Ihr seid naiver als Kinder.«
Sonia meinte seufzend, sie werde sich umziehen, da wir ja nicht ausgingen, da ich ja mit Rücksicht auf sie beschlossen habe, alle zu uns einzuladen. Ich erwiderte nichts.
Sobald sie uns den Rücken gekehrt hatte, beug te sich Odile zu mir herüber und sagte: »Hast du zuviel getrunken?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Hast du vor, dich in der nächsten Minute an ders zu
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