Reibereien
mal, Sonia hat mir erzählt, daß ihr nicht mehr miteinander vögelt.«
»So? Und was hat sie dir noch erzählt?«
»Hör zu. In jeder Beziehung gibt es Schwierigkeiten. Eine völlig ungetrübte Beziehung hat noch niemand erlebt. Hör zu. Versuch nicht mit Kano nen auf Spatzen zu schießen. Schau ein wenig nach vorne und sieh dich um. Du mußt die Sache ein bißchen cooler angehen.«
»Ich verspreche dir, daß ich darüber nachdenke, Jon. Ich muß mal sehen, was ich tun kann.«
»Ja, sieh zu, was du tun kannst. Das soll natürlich nicht heißen, daß ich ihr recht gebe. Aber was bleibt einem anderes übrig? In dieser Situation möchte man sich am liebsten einschließen und niemanden mehr sehen. Du weißt ja, wie das ist. Das brauch ich dir wohl nicht erst zu erklären.«
»Auf jeden Fall danke ich dir für deine Ratschläge, Jon. Ich hoffe, wir können uns bald weiter darüber unterhalten.«
Ich warf einen Blick auf Sonia, die offensichtlich zögerte, sich wieder anzuziehen und auf diese Kar te in ihrem Spiel zu verzichten, sie rechnete mit der Wirkung des Halbdunkels, der abendlichen Stim mung, des heimtückischen Moder- geruchs der Pflanzen – von ihrem verdammten Komposthau fen –, der Hitze, die in regelmäßigen Wellen aus der Erde aufstieg, der absoluten Obszönität gewisser Marken von Unterwäsche, bei deren Anblick man total ausrastet – schwanger oder nicht –, und der Stunden, die noch vor uns lagen, ehe wir ausgin gen.
Ihr Bauch war schön rund. Sie beschloß, ihr Kleid wieder zuzuknöpfen. Einige Tage zuvor hat te sie noch versucht, mit Gewalt in mein Zimmer zu dringen, hatte mich geweckt und sich rittlings auf mich gesetzt, doch ich führte sie sogleich am Arm in ihr Zimmer zurück und erklärte ih r, daß wir die Sache nicht auf diese Weise regeln könnten.
Und dann räkelte sie sich mit angewinkelten Bei nen auf ihren Laken, glänzend wie eine Auster, und sagte immer wieder in verächtlichem Ton, daß ich ein Problem habe. »Wie alle Leute«, erwiderte ich schließlich. »Wie alle Leute, die ich kenne. Genau wie alle Leute. Und du erst recht.«
Wenn es stimmte, was sie sagte, dann fand sie es viel lustvoller, ein Paar Strümpfe zu kaufen oder mit einer ihrer Freundinnen Tee zu trinken. Ihr zufolge war es äußerst selten, daß eine Frau an ei nen interessanten Typen ge ri et, und mit einem Mann zu schlafen sei etwas, was wohl ab und zu mal vorkommen könne, aber das sei bald wieder vergessen, manchmal schon in dem Augenblick, da man sich wieder anzieht, um zu etwas anderem überzugehen.
Aber ich hörte ihr nie bis zum Schluß zu. Wenn sie mich verfolgte, ging ich spazieren oder schloß mich in mein Zimmer ein, um die Pläne für ein zu künftiges Geschäft zu überdenken, oder ich mach te eine Klettertour im Wald und bestieg ein paar Felsen, um in Form zu bleiben oder um eine neue Ausrüstung zu testen. Oder aber ich setzte mich in eine Bar und ging in Gedanken die Liste meiner Liebesabenteuer durch, die alle schief- gegangen waren, weil ich nie das fand, was ich suchte. Ob wohl mir das völlig klar gewesen war, hatte ich Sonia geheiratet, aber ich hatte eben gehofft, trotz allem irgendwann zur Ruhe zu kommen.
Meine Mutter kam, um ihr Geld abzuholen, was zur Folge hatte, daß Sonia stumm blieb wie ein Fisch. Meine Mutter und ich beobachteten ihr Theater aus der Ferne, wie sie den Kühlschrank öffnete, ohne etwas herauszunehmen, wie sie mit wütendem Blick kurz vor dem Fernseher stehen blieb, dann auf einen Hocker kletterte und sich da bei auf den Daumennagel biß und schließlich in ihrem Terminkalender blätterte, ehe sie mit vorge strecktem Bauch und der Miene einer Scheintoten in Richtung Schlafzimmer verschwand.
Meine Mu tt er steckte das Geld in ihre Handtasche und nickte lange. »Geht das alle Tage so?« fragte sie seufzend. »Ich möchte nicht an deiner Stelle sein. Habt ihr übrigens ihre Schlange gefunden? Sie war derart aufgelöst, daß ich nicht die Hälfte von dem verstanden habe, was sie zu mir ge sagt hat. Sie war total in Panik. Na ja, so ist das eben, aber ich möchte nicht an deiner Stelle sein.«
»Ach, weißt du, ich kenne Leute, die Schlimmeres erlebt haben, und die sind auch nicht daran gestorben.«
»Ja, aber man darf sich doch etwas Besseres wünschen. Es ist durchaus erlaubt, sich etwas Besseres zu wünschen. Dein Vater und ich haben wenigstens noch gewußt, was Liebe ist. Das ist der Unterschied. Wir hatten nicht das gleiche Handi cap wie ihr. Wir hatten
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