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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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nahm Lili auf die Schulter. »Ich bin da drüben, genau gegenüber von euch. Wenn wir ein Fernglas nehmen, können wir uns vermutlich gegenseitig Zeichen geben.«
    Ich erklärte ihnen ein bißchen, warum ich do rt sei. Ich sagte ihnen, Vincent müsse erst mal wieder zu sich kommen. Wir hätten einiges zu bespre chen.
    »Hast du vor, eine Weile zu bleiben?« fragte mich Carole.
    »Keine Ahnung. Er ist nicht gerade in Form, mehr kann ich dir dazu nicht sagen.«
    »Auf jeden Fall weißt du, wo wir sind«, sagte Richard zu mir. »Du bist jederzeit willkommen, wenn du mal auf andere Gedanken kommen willst.«
    Ehe ich zurückfuhr, machte ich mit Lili eine Tour mit dem Boot. Ich erinnerte mich, welche Schwierigkeiten mein Vater und ich gehabt hatten, mitein ander zu reden, was für wahnsinnige Anstrengungen uns das gekostet hatte, und bemühte mich da her, ihr die Situation zu erklären, sie sollte wissen, daß ich sie nicht im Stich ließ und sie verdammt hübsch fand, einfach toll - allerdings verzog sie bei diesen Worten den Mund, es war ihr peinlich, wenn ihr Vater sentimentalen Mist von sich gab.
    Sie bat mich um Geld, um sich CDs und Videospiele zu kaufen, und ich bekam, was ich verdiente, nämlich ein lautstarkes Zeichen der Zuneigung - das Boot schwankte gefährlich, während sie mir um den Hals fiel und mich ihren lieben Papa nann te - als Gegenleistung für ein paar Geldscheine. Aber trotzdem war ich nicht unglücklich darüber. Mit jedem Jahr, das verstrich, bemühte ich mich, meine Ansprüche herunterzuschrauben, auch wenn es zum Verzweifeln war.
    Carole nutzte die Gelegenheit, daß Richard ge rade damit beschäftigt war, die Schweine- koteletts mit Honig zu bestreichen und sie liebevoll auf den gasbeheizten Grillrost zu legen, um mich zu mei nem Auto zu begleiten.
    »Findest du, daß ich alt werde?« fragte sie mich.
    Ich hatte fünf Jahre zuvor ein kleines Abenteuer mit ihr gehabt. Die Sache war kläglich gescheitert, aber ich spürte, daß sie mir gegenüber wieder seltsame Gefühle entwickelte, seit Richard allmählich eine Glatze bekam und zwanzig Pfund zugenom men hatte, nachdem er das Rauchen aufgegeben hatte.
    »Warum solltest du alt werden?« erwiderte ich. »Ich weiß nicht. Das frage ich dich.«
    »Meinst du äußerlich, so ganz allgemein?« »Was denn sonst? Worüber könnte ich wohl sonst mit dir sprechen wollen, was meinst du?«
    Seit einiger Zeit ärgerte sie sich über mich. Nicht auf allzu sichtbare Weise, aber ihre Züge ver- härteten sich, wenn sie sich an mich ranmachte, sie fummelte ununterbrochen an dem Saum eines Geschirrtuchs herum oder betrachtete ihre Füße und schien mit ihnen zu sprechen.
    Sie hatte nicht den Mut, die Sache in die Hand zu nehmen und sich einen Liebhaber auf der Stra ße anzulachen, und so fiel das Los auf mich. Ich war die einfachste Lösung. Der ideale Typ, der mit ihrem Mann Darts spielte, unverheiratet war und bereits einen Vorgeschmack von der Sache bekommen hatte. Der Traumtyp.
    Daher verhielt ich mich ihr gegenüber zurückhaltend. Der Gedanke an sie bereitete mir keine schla fl osen Nächte. Das wünschte sie sich zwar. Aber wozu wäre das gut gewesen?
    Ich setzte mich ans Steuer und erklärte ihr, sie sei völlig okay und in wenigen Stunden würden wir einen schönen Sonnenuntergang bewundern kön nen, wenn vom See kein Nebel aufstieg.
    Ich sah im Rückspiegel, wie sie allmählich verschwand, mitten auf dem Weg, die Hände in die Hüften gestemmt, bis Richard sich ihr von hinten näherte, die Arme um sie schlang und ihr seinen Bauch in den Rücken preßte.
    Nach meiner Rückkehr begann ich das Abend essen vorzubereiten. Vincent hatte angeboten, mir zu helfen, aber er blieb in einem Sessel sitzen und versuchte den katholischen Kanal im Fernsehen oder, wie ich ihm geraten hatte, eventuell eine Tier sendung zu finden. Er hatte seit dem Vormittag ei ne ganze Flasche Whisky geleert und machte sich gerade daran, eine weitere zu öffnen.
    »Laß dich von mir nicht stören«, sagte ich zu ihm. »Nur zu. Ich versteh dich vollkommen.«
    Ich zwang ihn jedoch, etwas zu essen. Dann räumte ich ab, betete, daß die Spülmaschine funktionierte, und nahm ihn mit auf die Veranda, während es allmählich dunkel wurde.
    »Bald müssen wir aber mal zum Angeln rausfahren. Ich kümmere mich darum.«
    Er sprang nicht gerade vor Freude an die Decke, sondern begnügte sich mit einem Nicken.
    »Solange du dich noch auf den Beinen halten kannst«, fügte ich hinzu. »Solange du noch

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