Reibereien
paar Tagen gevögelt hast. Hast du das etwa vergessen?«
Als ich sah, daß der Schlag saß, machte ich wei te r.
Ich holte sogar einen Spiegel und zwang ihn, sich anzusehen.
Immer wenn er mir zu entwischen versuchte, verfolgte ich ihn und s to cherte mit dem Messer in der Wunde herum. Als es völlig dunkel war, ging er in der schwülen Stille bis zu den Waden ins Was ser, und ich verstummte, da ich glaubte, er werde jetzt das Unwiderrufliche vollziehen, aber plötz lich machte er kehrt und sagte zu mir, er wolle mit ihr sprechen.
»Was, in deinem Zustand?« erwiderte ich. »Du kannst dich doch nicht mal mehr auf den Beinen halten. Was willst du ihr dann erzählen? Geh lieber ins Bett.«
Dann wählte ich die Nummer meiner Mutter. »Er will dich sprechen. Du wirst schon sehen, er ist in Topform.«
Ich reichte ihm den Apparat.
»Schieß dir lieber eine Kugel in den Kopf«, riet ich ihm.
Ohne mich aus den Augen zu lassen, preßte er das Telefon ans Ohr. Seine Hand zitterte, seine Lippen zitterten. Ich hörte die Stimme meiner Mutter, die im Hörer knisterte. Ich sah zu, wie er wankte und das Gesicht verzog. Ich hörte auch das sau gende Geräusch, das seine Füße in den violetten, jetzt fast schwarzen Lederschuhen hervorriefen, die völlig durchnäßt waren.
Aber er sagte keinen Ton.
Am nächsten Morgen versuchte er sich zu rasieren. Ich erklärte ihm, daß sein Bart zu lang sei und er ihn erst mit der Schere stutzen müsse. Doch dazu war er nicht imstande.
Nach kurzer Überlegung stand ich auf und machte mich wortlos daran, die Sache zu erledigen. Trotz der Bullenhitze ließen sich ein paar Typen in einem Boot mitten auf dem See in der Sonne braten und warfen ihre Angelschnüre pfeifend durch die Luft, in der Hoffnung, etwas zu fangen, vielleicht aber auch nur, um ein wenig Ruhe oder Einsamkeit zu finden, ehe Frau und Kinder aufkreuzten. Der See war nur eine knappe Stunde von der Stadt entfernt, aber das schien ihnen zu genügen. Wenn ich ihnen im Dorf begegnete, wären sie nicht einmal imstande gewesen, mir zu sagen, wer sie waren, diesen Eindruck hatte ich zumindest.
Vincent und ich hatten es nicht einmal fertigge bracht, die tolle Angelausrüstung auszuprobieren, die ich für uns besorgt hatte — mein Vater hatte mich nie zum Angeln mitgenommen, und ich hat te, als ich die Ausrüstung kaufte, immer diesen Gedanken gewälzt, wie ein armer Irrer, wie einer, der an einem chronischen Übermaß an Rührseligkeit leidet. Jedesmal wenn ich ihm den Vorschlag mach te, das heißt, wenn er sich nicht gerade übergab und seine Leber stückweise auskotzte und sich anschließend, um das Tageslicht zu meiden, in seinem Zimmer, das ebenso düster war wie die Höhle eines rotäugigen wilden Tiers, einschloß oder aber wie ein Häufchen Elend dasaß und sich auf die Brust schlug, wies er mein Angebot mit einer angewiderten Grimasse zurück.
»Dabei könnte dir das gar nicht schaden«, sagte ich nachdrücklich. »Statt hierzubleiben und auf der Stelle zu treten. Laß uns doch wenigstens versu chen, etwas davon zu haben, wo wir schon mal hier sind.«
Für Kartenspiele hatte er auch nichts übrig – ich stellte fest, daß er die Spielregeln nicht mehr ka pierte und nicht mal mehr imstande war, die Karten in der Hand zu halten. Seine einzige Ablenkung waren die religiösen Sendungen und die Tierfilme, aber auch denen konnte er nicht lange folgen – er sackte in sich zusammen, purzelte auf den Boden oder starrte mit weitaufgerissenen Augen ins Lee re.
»Als ich klein war«, sagte ich zu ihm, »hat mich mein Vater oft zum Angeln mitgenommen.«
Ich packte mein Rasierzeug weg, während er sich im Spiegel musterte.
»Ich weiß, daß es kaum zu glauben ist«, erklärte ich. »Ich kann mir vorstellen, was du empfindest. Ich kann mir vorstellen, was dir durch den Kopf geht. Aber wer sollte dir jetzt noch helfen können?«
Am Nachmittag fing ich noch einmal davon an: »Also, ich habe alles vorbereitet. Es ist alles im Boot. Komm, jetzt zier dich nicht. Los, nun komm schon. Ich hab auch eine Kühlbox mit Bier dabei.«
Gerade als er einsteigen wollte, tauchte Carole auf.
»Ich habe darüber nachgedacht, was du neu li ch zu mir gesagt hast«, sagte sie in ernstem Ton. »Ich glaube, das ist falscher Stolz.«
»Carole? Was machst du denn hier? Wo sind die Kinder?«
»Mach dir keine Sorgen um die Kinder. Versuch nicht immer auszuweichen. Das ist bei dir zu einer richtigen Krankheit geworden.«
Ich kletterte ins Boot und schob
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