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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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ich ihn mit einer Flüssigseife begossen hatte, die für ihre belebende Wirkung bekannt war. Dann rasierte ich ihn und zog ihn an, wogegen er sich nur mit einem Knurren wehrte, aus dem ich mir nichts machte.
    »Der Typ ist total am Ende«, sagte Boris zu mir, nachdem er ihn kurz untersucht hatte.
    Während sich Vincent im Nebenzimmer wieder anzog, erklärte mir Boris, daß seine Leber völlig im Eimer sei und daß das nicht erst aus jüngster Zeit herrühre.
    »Interessiert es dich, Anteile an einem Turbo Skylane zu haben?« fragte er mich, während Vin cent zu uns kam und sich damit abmühte, sein Hemd zuzuknöpfen. »Ich stelle die Fallschirme.«
    »Ich weiß nicht, Boris. Das muß ich mir erst überlegen.«
    »Hast du keine Lust, dich leichter zu fühlen? Der Schwerfälligkeit dieses beknackten Lebens zu entgehen? Mußt du dir das wirklich überlegen?«
    Auf dem Rückweg hielt ich an einer Tankstelle und bugsierte Vincent zu dem Kaffeeautomaten.
    »Es ist mir scheißegal, was er dir gesagt hat. Wirklich scheißegal«, knurrte er.
    Ich stimmte ihm stumm zu. Und plötzlich hätte ich viel dafür gegeben, in einem kleinen Flug- zeug zu sitzen– auch wenn es kein Segelflugzeug war–, in einer Höhe von zwanzigtausend Fuß oder mehr. Und selbst mit einem Amateurpiloten wie Boris am Steuerknüppel.
    Kaum waren wir in der Wohnung, setzte er sich wieder vor den Fernseher und schaltete denselben Kanal ein. Diesmal wurde eine Debatte über das Zölibat der Priester gezeigt.
    »Interessiert dich das?« fragte ich ihn.
    »Ich finde das erholsam«, meinte er. »Ich kann mir nichts anderes mehr ansehen. Ich finde das unglaublich erholsam.«
    Auch wenn er sich seit unserer ersten Begegnung nicht gerade zu seinem Vorteil entwickelt hatte, brachte mich seine Ähnlichkeit mit meinem Vater noch immer durcheinander.
    »Hast du auch an sie gedacht?«
    »Ich tue den ganzen Tag nichts anderes. Aber ich muß zugeben, daß ich trotzdem nicht weiterkom me.«
    Ich blieb einen Augenblick vor ihm stehen und musterte ihn. Ich mußte unbedingt sofort eine Entscheidung treffen, und ich traf sie.
    Zwei Tage später – ich brauchte einen ganzen Tag, um mir eine Waffe zu besorgen, und ver- brachte einen weiteren damit, mit einer Frau aus einem Maklerbüro zu telefonieren, die hilflos vor ihren Karteikarten saß wie eine Schnecke vor einem Grasbüschel –hielten Vincent und ich vor einem hübschen Bungalow, bereit für die letzte Runde.
    Die Veranda grenzte praktisch ans Seeufer, und das Haus unserer nächsten Nachbarn war halb hin ter Bäumen versteckt.
    Wir luden unsere Koffer und unsere Angelausrüstung aus, lüfteten und fuhren wieder los, um im nächsten Supermarkt Einkäufe zu machen.
    Es war elf Uhr morgens. Aber er schleppte sich schon stöhnend dahin, halb auf dem Einkaufswagen hängend, und war unfähig zu sagen, was er wollte, wenn ich auf Dosen oder Alubehälter mit Fertigge richten für die Mikrowelle zeigte.

Als wir jedoch ans Regal mit den Spirituosen gelangten, erhellte sich sein Blick, und er richtete sich auf. Ich nahm ein paar Kisten Bier. Unterdessen in spizierte er die Whiskyflaschen, wog sie mit der Hand ab, um es genauer zu sagen, und dann warf er mir einen fragenden Blick zu. Ich sagte ihm, er könne zugreifen, ohne auf den Preis zu achten. Ich spielte wieder ganz den guten Sohn. Ich ließ ihn auf dem Parkplatz in der Schwüle des Vormittags, die leicht nach Schlamm und stark nach Kiefern roch, in Ruhe etwas trinken, während ich die Vorräte auf der Rückbank verstaute, die von der Sonne sengend heiß war. Das verstehe ich unter einem guten Sohn.
    Er schlief den ganzen Nachmittag, nachdem er sich geweigert hatte, auch nur das Geringste an fe ster Nahrung zu sich zu nehmen.
    Ich verbrachte eine Stunde damit, das Manu skript einer Frau zu lesen, das Corinne und Sandra unbedingt veröffen tl ichen wollten, und war ziem lich einverstanden, auch wenn ich nicht so recht begriff, welcher Reiz darin liegen sollte, einen Roman als Puzzle anzulegen - aber Corinne und Sandra kannten sich mit Literatur besser aus als ich. Anschließend ging ich schwimmen.
    Da er immer noch schlief, stattete ich Carole und Richard einen Besuch ab, die in knapp drei Kilometer Entfernung am anderen Ende des Sees wohnten. Die kleine Straße schlängelte sich zwi schen den Stämmen hoher Tannen hindurch, unter den schräg einfallenden Sonnenstrahlen, in denen die Staubpartikel tanzten.
    »Ich bin direkt auf der anderen Seite«, sagte ich zu ihnen und

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