Reich durch Hartz IV
auch wirklich durchzuhalten?«
Also eine Art Kreuzung aus Telefonseelsorge, Erziehungsanstalt und Lebenshilfe. Aber wieso braucht eine Fallmanagerin so ein Angebot, um herauszufinden, ob die Menschen, die sie betreut, auch wirklich pünktlich kommen können? Sie könnte sie zum Beispiel nicht nur alle sechs Wochen, sondern mehrmals pro Woche zu sich einbestellen, zu unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen Tagen. Und wieso kann man nicht innerhalb einer Woche herausfinden, ob jemand einen Arbeitstag durchhält oder vorzeitig aufgibt? Braucht es dazu wirklich sage und schreibe einen einjährigen Kurs, der 6000 Euro kostet? Das Coachen und Profilen bringt immerhin der SBB Kompetenz gGmbH Geld in die Kasse: 1,8 Millionen Euro kosten allein die drei Nähkurse. Hinzu kommt natürlich noch weiterhin Hartz IV, das die Teilnehmer beziehen, plus Wohngeld und Heizkostenzuschuss. Kosten, die das Jobcenter und die Kommunen übernehmen.
Die SBB Kompetenz gGmbH wirbt übrigens auf ihrer Internetseite damit, dass sie ein seriöses Unternehmen sei, geprüft und »zertifiziert«, und zwar »nach den neuen Standards der Arbeitsagentur (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung AZWV/SGB III)«. Sie sei darüber hinaus »Mitglied der Institutionen: Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (BBB), Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e.V. (bag arbeit e.V.), der Gesellschaft für Dienstleistung und Qualitätsmanagement mbH (DQG)«, die seit 1997 ein Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001:2008 durchführe, wiederum zertifiziert durch DQS. Na bitte, bei Berücksichtigung von DIN EN ISO und DQS kann ja nichts schiefgehen …, auch wenn die Vermittlungsquote einiger Kurse null ist.
Eine Bildungsfirma braucht also vor allem gut klingende Angebote, um zertifiziert zu werden. Dann muss sie Teilnehmer für ihre Maßnahme rekrutieren, das heißt, ein Bildungsträger braucht gute Kontakte zum Jobcenter, damit Fallmanager Arbeitslose zu ihm schicken können und die Mittel, die ihnen dafür zur Verfügung stehen, auch abrufen. Werden sie nicht genutzt, heißt es am Ende des Jahres, man habe sich nicht aktiv bemüht, die Arbeitslosen durch Qualifizierung aus der Kartei zu bekommen. Doch die Fallmanager des Jobcenters müssen dem Bildungsträger nicht vorgeben, wie viele Teilnehmer nach dem Besuch einer Maßnahme auch wirklich in einen Job vermittelt werden.
Übereinstimmend haben mir verschiedene Bildungsträger immer wieder versichert, dass eine Vermittlungsrate nicht Bestandteil des Vertrags sei. Niemand muss garantieren, dass nach Abschluss einer Maßnahme eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern auch wirklich in einem sozialversicherungspflichtigen Job landet. Und Kurse, die offenkundig nicht zu einer Vermittlung geführt hätten, dürfen auch erst mal weiter angeboten werden. Vermittlungsquoten von 15 Prozent gelten schon als sehr gut. Oft sind es aber nur fünf Prozent, die nach dem Besuch eines teuren Kurses nicht wieder auf der Payroll des Jobcenters landen. Übrigens: Von den Teilnehmern des Nähkurses bekam keiner einen sozialversicherungspflichtigen Job, aber das hatte uns der Geschäftsführer ja auch schon mitgeteilt – Profilen und Coachen war das Ziel, nicht etwa Arbeit zu vermitteln.
Außer Spesen nichts gewesen, nennt man das anderswo. Das Problem ist offensichtlich: »Viele Hilfsangebote gibt es nicht, weil sie notwendig sind, sondern weil sie finanziert werden«, zitiert Walter Wüllenweber den Unterbezirksgeschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt in Dortmund, Andreas Gora, den Wüllenweber als »erfolgreichen Manager im Hilfsbusiness« bezeichnet. »In nur zehn Jahren hat seine Firma die Zahl der Mitarbeiter von fünfhundert auf tausend verdoppelt.«
Stefan Sell ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Koblenz. Er war Referent für Arbeitsmarktpolitik im Bundeskanzleramt unter Helmut Kohl und leitete das Arbeitsamt in Tübingen. Alexander Neubacher vom Spiegel war dabei, als Sell in Berlin einen Vortrag vor der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit hielt, die die Interessen der Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen vertritt. Er beschreibt den Auftritt Sells im Spiegel: »Seien wir ehrlich«, sagte Sell, »wir werfen Milliarden zum Fenster hinaus. Wir betrügen die Leute. Was wir machen, ist zum großen Teil Schrott.« Alexander Neubacher konnte nach dieser Aussage beobachten: »Sell erntete keinen Widerspruch, im Gegenteil. Es gab kräftigen Applaus.«
Mike träumt von der
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