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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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Reha-Maßnahme wieder arbeiten, hat sich bei ihr und in ihrer Familie wohl noch nicht herumgesprochen.
    Wer am Ende was und wie viel bekommt, ist auch nicht wirklich nachzuvollziehen. Diese Kirchengemeinde etwa verteilt nur einmal in der Woche Lebensmittel. Daneben gibt es zahlreiche andere Ausgabestellen in der Stadt. Das Problem: Sie alle sind untereinander nicht vernetzt. Dass sich also jemand schon am Montag in Charlottenburg oder am Dienstag im Wedding Lebensmittel besorgt hat, wird nicht festgehalten. So räumt ein Mann ein, dass er jede Woche hierher in diese Kirchengemeinde komme, wenn nötig, gehe er an den anderen Tagen auch zu Ausgabestellen in anderen Stadtteilen. »Das ist bares Geld«, sagt er. »Draußen müsste ich ja für diese Sachen richtig bezahlen.« Da hat er zweifellos recht: Der Hartz-IV-Status ermöglicht ihm Zutritt in den Gratis-Supermarkt. Warum sollte man sich also um eine Arbeitsstelle bemühen? Denn sobald jemand Geld verdient, darf er hier keine Lebensmittel mehr beziehen.
    Sabine Werth, der Chefin der Tafel, ist die fehlende Transparenz ein Dorn im Auge. »Darin liegt eine Gefahr, dass Menschen diesen Tourismus von einer Organisation zur anderen betreiben. Damit können sie sich super rundumversorgen. Sie haben super viel Geld für andere Dinge übrig. Und das ist genau das, was nicht passieren darf. Es darf nicht vorkommen, dass sich die Menschen zurücklehnen und sagen: ›Ach, prima, ich geh’ mal dahin und mal dorthin, und es geht mir saugut dabei.‹ Wenn man von staatlicher Seite mitkriegt, welche unendlich guten Versorgungsmöglichkeiten in dieser Stadt existieren, dann kann das zum echten Problem werden.« Soll heißen: Wenn den Politikern klar würde, dass der Satz, der im Hartz-IV-Betrag für Lebensmittel vorgesehen ist, von manchen gar nicht benötigt wird, weil sie sich jeden Tag bei jeweils unterschiedlichen Lebensmittelausgabestellen versorgen, würden sie sicherlich mit Kürzungen reagieren.
    Die mit Brot, Käse, Obst und Gemüse vollgestopfte Tüte würde nämlich draußen, im normalen Supermarkt, eben nicht nur einen Euro, sondern mindestens 20 Euro kosten. Nimmt man jeden Tag eine andere Ausgabestelle ins Visier oder geht man mittags auch noch in die Suppenküche, sind die Hartz-IV-Sätze plus Wohn- und Heizungsgeld nur auf den ersten Blick ein schmales Einkommen. Addiert man alles zusammen, lebt ein Angestellter mit kleinem Gehalt, der Frau und zwei Kinder ernährt, eine Wohnung und den vollen Eintrittspreis für Schwimmbad und Theater bezahlen muss und außerdem das Geld für die Klassenreise seiner Tochter übers Jahr irgendwie zusammensparen muss, während die Kosten für Hartz-IV-Empfänger übernommen werden, vergleichsweise schlechter von seiner Vollzeitstelle.
    Die Lichtenberger Hilfe e.V. ist auch so eine Ausgabestelle, besser eine Art kleiner Supermarkt, in dem die Kunden jeden Artikel einzeln auswählen können. Bei der Lichtenberger Hilfe e.V. läuft es anders als bei der Berliner Tafel. Nur Obst und Gemüse wird tütenweise für einen Euro abgegeben. Der Chef der Lichtenberger Hilfe ist geschäftstüchtig. Er selbst, erzählt er, sei Hartzer und könne nicht arbeiten – aber er ist imstande, bundesweit Lebensmittelspenden mit gespendeten Kleintransportern abholen zu lassen. Mal 1000 Büchsen Fisch, mal ein Zentner Butter oder Käse. Nur das Benzin fürs Abholen kostet etwas, denn seine Helfer beziehen auch Hartz IV, bekommen also keinen Lohn. Die Fischkonserven aus Cuxhaven und die Wurst aus Osnabrück werden einzeln kalkuliert, von den Kunden einzeln ausgewählt und kosten auf jeden Fall mehr als einen Euro. Auch die Preise für Salat, Käse und Butter variieren. Sie sind zwar niedrig, aber auf welcher Grundlage der Chef sie festlegt, will er nicht offenlegen. Die Lichtenberger Hilfe e.V. hat sich mehrfach um den Status der Gemeinnützigkeit bemüht, bisher vergeblich, denn man lässt sich dort nicht in die Karten gucken. Wie der Chef kalkuliert und wie viel bei der Lichtenberger Hilfe e.V. letztlich hängen bleibt, ist nicht herauszufinden. Schon morgens drängen sich die Kunden in den Verkaufsräumen. Zum Beispiel ein gelernter Koch. Fachmännisch wählt er französischen Käse, Steinpilze und Pastete. Der Käse kostet 1,50 Euro, die Pilze 2 Euro, die Wurstpastete 1,30 Euro. Je früher man komme, desto größer sei die Auswahl, sagt der Mann und packt seinen Einkauf in eine Tüte. »Köche werden doch gesucht«, erkundige ich mich. »Warum sind Sie

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