Reich durch Hartz IV
Verwaltungsrat der Bundesagentur, der eigentlich die Arbeit der Agentur kontrollieren und beaufsichtigen soll und der über den Etat sowie die Verteilung der Mittel entscheidet, sitzen Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände. Also sind dort letztlich genau diejenigen versammelt, die mit gewerkschaftseigenen und arbeitgebernahen Bildungsfirmen Teil des Sozialkartells sind. Auch jedem Jobcenter ist so ein Verwaltungsrat übergeordnet.
Die Bundesagentur für Arbeit,1952 als Bundesagentur für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gegründet, ist heute ein ineffizienter Moloch. Arbeitgeber melden den Arbeitsagenturen inzwischen nicht einmal mehr jede zweite offene Stelle. Und die Fallmanager, die im Schnitt etwa 150 Arbeitslose betreuen, klagen über zu hohe Arbeitsbelastung und Ineffizienz. »Die Qualität der Vermittlung, die Belastung des mit Vermittlung befassten Personals und der Erfolg arbeitsmarktpolitischer Instrumente sind deutlich geringer als bisher angenommen«, lautet das vernichtende Fazit des Bundesrechnungshofs. Die sogenannte Vermittlungsquote, also der Anteil der vom Jobcenter Vermittelten, kritisierte er weiter, liege bei gerade mal 18 Prozent.
Inzwischen gibt die Bundesagentur gar keine Vermittlungszahlen mehr preis. Das ist erstaunlich, denn Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen ist ihr einziger Daseinszweck. Die Begründung lautet: »Wir weisen keine Vermittlungsquoten aus, da man nie direkt den Zusammenhang zwischen Kontakt mit Vermittler und Arbeitsaufnahme herstellen kann. Wenn ein Vermittler im Beratungsgespräch sagt: ›Stellen Sie sich doch mal bei Bäcker Müller vor, da habe ich heute Morgen ein Schild hängen sehen …‹ – und es kommt tatsächlich zu einer Arbeitsaufnahme –, war der Vermittler nur ›Auslöser‹, das zählt aber nicht zur ›Vermittlungsquote‹. Außerdem würde in einer Vermittlungsquote nicht berücksichtigt, wenn Arbeitsuchende in der (Computer-)Stellenbörse der BA selbst eine Stelle finden oder wenn im Zuge der vielen Jobmessen, zu denen wir einladen, Arbeitsverträge geschlossen werden.« Wieso man nie, wirklich nie, »direkt den Zusammenhang zwischen Kontakt mit Vermittler und Arbeitsaufnahme herstellen kann«, bleibt ein großes Rätsel. Denn genau dafür ist eine Arbeitsagentur eigentlich da: um einen Kontakt herzustellen zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitslosen, woraus ein Arbeitsverhältnis hervorgehen kann. Oder um nachzuhaken, warum der Kontakt vielleicht nicht erfolgreich war. Darüber hinaus, um nachzubessern und beim nächsten Mal eine bessere Vermittlung zu erreichen.
Vor einer Vermittlung kommt jedoch stets »die Maßnahme«. Maßnahmen, so haben wir gesehen, können sein: Gabelstaplerkurse oder Bewerbungstrainings, Kurse zur Stabilisierung des Selbstbewusstseins, vielleicht noch Yoga oder richtig atmen lernen. Wer in welchem Kurs landet, soll eigentlich vorher die »passgenaue Beratung« ergeben. Doch passgenau scheint an der Kursauswahl gar nichts zu sein. Da sitzen IT-Spezialisten im »Wie-gehe-ich-mit-einem-Computer-um?«-Kurs, Bauarbeiter sollen lernen, mit Exceltabellen umzugehen, und Menschen, die lieber heute als morgen in Rente gehen wollen, landen im Bewerbungstraining. Fallmanager stecken Arbeitslose in Maßnahmen offenbar frei nach dem Motto: »Mal sehen, was dabei rauskommt« – wahrscheinlich auch, um die Arbeitslosenstatistik zu »bereinigen« oder zu verbessern. Denn wer in einer Maßnahme ist, steht dem Arbeitsmarkt ja nicht zur Verfügung, fällt also aus der Arbeitslosenstatistik heraus.
Teilnehmer von EDV-Kursen klagen dann über hoffnungslos veraltete Computer. Andere beschweren sich über Umschulungen, die in völlig sinnentleerter Beschäftigung enden, anstatt dass sie wirklich Fortbildung erleben. Ein Hit über Jahre war das gemeinsame Puzzeln. Sie haben richtig gelesen: In sogenannten Toy-Companies der DEKRA saßen Arbeitslose mitunter zehn Tage an Riesenpuzzles, um am Ende festzustellen, dass ein Teil fehlte und das Puzzle somit nicht an einen Kindergarten oder an ein Sozialkaufhaus weitergegeben werden konnte, sondern weggeschmissen werden musste. Die Bundesagentur für Arbeit räumt ein, dass über die Hälfte der Arbeitsuchenden nicht vermittelbar sei, was im Hartz-IV-Chinesisch heißt: Es handelt sich um »Kunden mit komplexer Profillage«. Die müssen »aktiviert«, »trainiert« und »entwickelt« werden.
Doch selbst BA-Mitarbeiter halten viele Kurse für reine
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