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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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Jahres 2012 über 28 241 Klagen entschieden. Doch endeten – laut Arbeitsagentur – nur vier Prozent der Hartz-IV-Klagen ganz oder teilweise mit einem Erfolg des Klägers. Fast zehn Prozent wurden abgewiesen. 85 Prozent erledigten sich ohne Urteilsspruch: Die Kläger zogen ihre Klagen zurück oder einigten sich mit dem Jobcenter auf einen Vergleich.
    Inzwischen gibt es einen leichten Rückgang bei Hartz-IV-Klagen, vielleicht auch, weil offensichtliche Absurditäten inzwischen nicht mehr zur Klage zugelassen sind. So hatte sich eine Frau durch alle Instanzen bis vor das Bundessozialgericht in Kassel geklagt – mit entsprechenden Anwalts- und Gerichtskosten. Ihr Hartz-IV-Betrag von 624,80 Euro sollte um 20 Cent erhöht werden. Die Klägerin argumentierte, der Regelsatz würde die Sicherung des Existenzminimums nicht gewährleisten. In den Vorinstanzen hatten die Richter noch zugunsten der Klägerin entschieden. Erst die höchsten deutschen Sozialrichter des Bundessozialgerichts hoben die Urteile auf, wiesen die Klage ab und erklärten, ein Prozess um 20 Cent sei unzulässig. Die Frau hatte auf den 20 Cent bestanden, weil der Satz zwar richtig berechnet, aber nicht auf einen vollen Euro-Betrag aufgerundet worden war. Der 14. Senat sprach ihr jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis wegen dieser Rundungsdifferenz ab.
    Bis 2011 hatten Ämter immer auf volle Beträge aufrunden (und zwar ab 50 Cent) oder abrunden müssen (bis 49 Cent). Der Klägerin waren 2007 besagte 624,80 Euro bewilligt worden: 376,50 Euro zum Lebensunterhalt und 248,30 Euro als Kostenzuschuss für die Unterkunft. Sie wollte erreichen, dass die beiden Einzelbeträge gerundet würden. Damit hätte sie 625 Euro bekommen. Doch die Software der Jobcenter sah dies nicht vor – ein willkommener Grund für eine wahre Klageflut, auch in anderen ähnlich gelagerten Fällen.
    Eine andere Klägerin ging ebenfalls durch alle Instanzen bis vors Bundessozialgericht, weil im Hartz-IV-Satz ihrer Meinung nach die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die allein lebende Frau aus dem Rhein-Neckar-Kreis forderte monatlich 1000 Euro als Unterstützung. Es fehle eben unter anderem der Ausgleich für die Mehrwertsteuererhöhung. Sozial- und Landessozialgericht wiesen die Klage der Frau ab. Trotzdem zog sie vors Bundessozialgereicht und scheiterte auch dort. Die Klage wurde abgewiesen. Die Bundesregierung verstoße mit den Hartz-IV-Sätzen nicht gegen das Grundrecht auf Menschenwürde und auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip, befanden die Kasseler Richter. Die Gebühren für die klagefreudige Frau, die in drei Instanzen scheiterte, zahlte der Steuerbürger. Ihren Anwalt wird es gefreut haben.
Hartz-IV-Wohnungen: der Staat als solventer Mieter
    Die Hartz-IV-Maschine hält auch die deutsche Immobilienwirtschaft am Laufen, denn Hartz-IV-Empfänger sind gern gesehene Mieter. Unterschreiben sie eine Abtretungserklärung, überweist das Amt die Miete direkt an den Eigentümer – eine sichere Sache. Und Dieter Blümel vom Eigentümerverband weiß, was Immobilienbesitzer sich sonst noch wünschen: höhere Mietsätze für Hartz-IV-Empfänger. Ich frage ihn: »Wenn Sie eine Wohnung zu vermieten hätten und dann käme einer und sagt: ›Ich bekomme Hartz IV‹, und ein Zweiter käme, der sagt: ›Ich bin Busfahrer oder Verkäufer.‹ Wem würden Sie die Wohnung geben?« Dieter Blümel hat jeden Tag mit Vermietern und Wohnungseigentümern zu tun. Er überlegt kurz und sagt dann: »Der durchschnittliche Vermieter, würde ich sagen, wird in der Regel den Hartz-IV-Empfänger nehmen. Weil der ein sicherer Zahler ist. Denn wenn der Staat mit sicheren und zuverlässigen Überweisungen für alles einsteht, dann ist man fein raus. Einen solventeren Mieter gibt es jedenfalls bis jetzt noch nicht.«
    Eigentlich bekommen langzeitarbeitslose Hartz-IV-Empfänger die Unterstützung für die Lebenshaltung, die Wohn- und Heizkosten als Gesamtbetrag überwiesen. Sie müssen dann selbst die Miete überweisen und damit ein Stück Verantwortung übernehmen. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass das nicht immer klappt und das Geld für die Miete für andere Dinge »zweckentfremdet« wurde. Also verlangen Vermieter oft eine Abtretungserklärung und sind dann fein raus: Der Staat zahlt ja pünktlich.
    Dieter Blümel räumt ein, dass damit der freie Markt ein Stück außer Kraft gesetzt werde. Gerade in Berlin klagen häufig Studenten, dass sie an

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