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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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schnell, gar voreilig sein Urteil gefällt? Ich fahre zu Carmen K. nach Hause und will wissen, warum sie sich in dieser Aufmachung vorgestellt hat. Während ihr Kind spielt und keinen kranken Eindruck macht, kocht Carmen K. Kaffee und beginnt zu erzählen. Es wird schnell klar, dass sie nicht erpicht drauf war, den Job im Restaurant zu ergattern. Sie habe viel bessere Alternativen, sagt sie. Die Frau ist für Überraschungen gut. Sie lehnt sich zurück und weist auf das lokale Wochenblättchen: »Wenn ich mir einen Job in der Zeitung such’, für 400 Euro irgendeine Putzstelle, dann fahr ich besser damit.«
    »Wieso?«
    »Na ja, hier im Wochenblatt sind Putzstellen ausgeschrieben. Und es weiß ja so kein Mensch, ob ich arbeiten gehe oder nicht.«
    »Aber worin liegt nun der Vorteil?«, stelle ich mich dumm. »Wenn Sie so eine Putzstelle annehmen, für 400 Euro, wird das denn dann nicht verrechnet mit Ihrem Arbeitslosengeld II?«
    »Natürlich nicht. Das weiß ja dann keiner! Ich geb’s doch nicht an! Das macht doch keiner! Wer gibt das schon an? Das ist schwarzes Geld, sag’ ich mal so. Auch als ich Arbeitslosengeld I bekommen habe, hab’ ich schon gearbeitet. In der Gastronomie. Das wusste nur kein Mensch. Da hab’ ich morgens um fünf Uhr angefangen und habe abends um acht Uhr aufgehört.«
    »Was haben Sie denn in der Zeit mit Ihrem Kind gemacht?«
    »Hort, Kindergarten, Tagesmutter. Wenn man will, geht alles.« Wie wahr!
    Bei anderen geht dagegen offenbar gar nichts. Beim nächsten Besuch kommt Ilona B. in die Jobagentur Winsen, eine ungelernte Kraft, 30 Jahre alt und seit fünf Jahren arbeitslos. Angelika Brauers Kollege Jens Krüger fragt nach: »Haben Sie denn eine Bewerbung laufen?«
    »Nein, aktuell nicht«, sagt Ilona B. »Ich hab’ auch keine große Lust, putzen zu gehen. Es muss schon etwas sein, was mir gefällt.« Der Fallmanager schaut in den Akten nach und stellt fest: Ilona B. hat früher mal als Kellnerin in einer Gaststätte und als Putzfrau gearbeitet. Stellenangebote habe er, erklärt er ihr, in der Gastronomie und bei einer Gebäudereinigungsfirma. Ilona B. ist bis jetzt stumm geblieben, hat – wenn überhaupt – nur einsilbig geantwortet. Doch nun wird sie unerwartet energisch: »Nein, das will ich beides auf gar keinen Fall machen. In der Gastronomie sind Überstunden ohne Ende zu erwarten, und putzen zu gehen – das habe ich ja schon gesagt. Dazu habe ich keine Lust. Und ich habe ja auch noch die Kinder, die versorgt werden müssen.«
    »Lassen Sie das doch Ihren Mann machen«, schlägt der Fallmanager vor. »Der ist doch auch arbeitslos und zu Hause.«
    »Ja, aber der könnte ja auch irgendwann Arbeit kriegen, und was dann?«, entgegnet Frau B. und schüttelt energisch den Kopf. Könnte? Wäre? Vielleicht? Die Wörtchen benutzt sie von nun an öfter. »Bei Putzjobs gibt es feste Arbeitszeiten«, wendet der Fallmanager erneut ein. »Das ist ganz anders als in einer Gaststätte. Hier habe ich ein Angebot: im Büro, morgens, bevor die Angestellten anfangen!«
    »Das geht nicht«, pariert Ilona B. sofort. »Morgens muss ich die Kinder zur Schule schicken.«
    »Na dann abends nach Büroschluss, da hab’ ich auch eine Offerte«, bleibt der Fallmanager bewusst geduldig. »Abends geht auch nicht. Dann muss ich sie ins Bett bringen.«
    Alles klar: Der Job für Frau B. muss erst noch gebacken werden. Sie würde am liebsten nur zwischen 14 und 18 Uhr arbeiten. Jens Krüger versucht’s nun mit einer Fülle von anderen Angeboten: In Gaststätten, Restaurants, Imbissbetrieben würden händeringend Arbeitskräfte gesucht, auch hinter der Theke oder in der Küche. Jetzt wird Ilona B. energisch: »Nein, das möchte ich auf keinen Fall. Und ich nehme auch nur Arbeit da an, wo ich wohne, also Winsen oder Marschacht, wo ich nicht länger als zehn oder 15 Minuten zur Arbeit brauche.«
    Der Berater scheint sich so etwas öfter anhören zu müssen. Wir hören es das erste Mal. Ich mische mich ein und erkläre: »Nach den neuen Bestimmungen müssten Sie zwei Stunden Anmarschweg zur Arbeit in Kauf nehmen.«
    »Ja, das hab’ ich auch schon gehört«, sagt Ilona B. »Das will ich aber nicht.«
    »Sie bekommen doch Unterstützung – und doch gar nicht so wenig – dafür, dass Sie nicht arbeiten«, wende ich ein.
    »Ja, aber von irgendwas muss ich doch leben«, sagt Ilona B. – »Das ist doch aber nicht das Problem der Allgemeinheit. Sie sind jung. Sie sind kräftig und gesund. Sie können doch

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