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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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Warum konnte sie sich sechs Jahre daran gewöhnen, alimentiert zu werden? Vielleicht hätte es sie ja motiviert, wenn man ihr kein Bargeld ausgezahlt, sondern Lebensmittelgutscheine zugewiesen hätte? Als alle die Stadthalle verlassen haben, zieht Angelika Brauer Bilanz: Von 180 eingeladenen Langzeitarbeitslosen sind 130 nicht gekommen. Vor ihr liegt ein riesiger Stapel mit Unterlagen und Papieren.
    »Was machen Sie denn mit den 130 Leuten? Die können doch nicht alle Bauchweh haben«, will ich wissen. »Die restlichen 130 werden wir einladen, jeden Einzelnen, und mit ihm ein Gespräch darüber führen, was für Gründe er gehabt hat, heute nicht zu erscheinen, und ob das wichtige Gründe gewesen sind. Und das werden wir in jedem Einzelfall klären, werden dann alles gegeneinander abwägen und eine Entscheidung treffen, ob derjenige nicht vielleicht doch für einen Ein-Euro-Job infrage kommt oder ob es nicht doch eine berufliche Alternative für diesen Herrn oder diese Dame geben kann.« Sie betont nochmals: »Dieser ganze Stapel von Papieren, der hier vor mir liegt: Das sind alles Papiere von Kandidaten. Die werden von uns in den nächsten Tagen und Wochen eingeladen, und dann werden wir die Damen und Herren bitten, uns zu erklären, wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellen, wenn sie denn kein Interesse an einem Ein-Euro-Job haben, und warum sie nicht in der Lage waren, zu diesem wichtigen Termin hier zu kommen oder wenigstens rechtzeitig abzusagen.« Unausgesprochen schwingt die Frage mit, ob die, die nicht gekommen sind, wirklich nicht arbeiten können oder nicht arbeiten wollen oder auch, ob sie vielleicht irgendwo schwarz arbeiten.
    Zwei Wochen später. Frau Brauer arbeitet ihren Stapel ab, und ich bin dabei, als Carmen K. erscheint. Sie ist Ende 30, von Beruf Küchenhilfe. Zur Infoveranstaltung war sie nicht gekommen. »Ich hatte Sie ja schon vor 14 Tagen in die Stadthalle eingeladen«, eröffnet Angelika Brauer das Gespräch.
    »Mein Sohn ist so krank«, sagt Carmen K.
    »Ist er immer noch krank oder schon wieder?«
    »Immer noch!«
    »Und im Februar, als ich Sie auch eingeladen hatte?«
    »Ja, da hatte er auch Fieber.«
    »Unabhängig von der Krankheit Ihres Sohnes. Was haben Sie in den letzten fünf Jahren unternommen, um wieder Arbeit zu finden?«
    »Ich hab’ drei Monate lang auf Basis geringfügiger Beschäftigung in der Gastronomie gearbeitet. Da hab’ ich auch nur 100 Euro bekommen.«
    Angelika Brauer schaut in ihren Computer und findet das Arbeitsangebot eines Fischrestaurants ganz in der Nähe. »Ich würde Sie bitten, sich dort einmal vorzustellen. Die suchen in der Küche und im Service Arbeitskräfte. Sie melden sich dann anschließend bitte und berichten mir, was daraus geworden ist.« Fallmanagerin Angelika Brauer ist zuversichtlich: Das Restaurant brummt, und die Geschäftsleitung sucht händeringend Arbeitskräfte. Carmen K. verspricht, sich dort vorzustellen und zieht los.
    Am Nachmittag fahre ich an die Elbe zum Fischrestaurant. Ich bin auf der Suche nach einer Erfolgsgeschichte. Eigentlich müsste es doch klappen. Wird Carmen K. sie mir liefern? Sie ist nicht auf den Mund gefallen, eine erfahrene Küchenhilfe, und hat heute Morgen im Gespräch mit ihrer Fallmanagerin eindrucksvoll deutlich gemacht, sie suche händeringend einen Job. Angeblich – denn das, was der Restaurantbesitzer mir erzählt, klingt völlig anders. Er steht in der Küche am Herd, rings um ihn herum eine Schar von Helfern, die unablässig Fische ausnehmen und anschließend braten. Vor ihm ein Berg silbergrauer Exemplare. Mittags werden hier ganze Busladungen verköstigt. Das Restaurant brummt, es muss also alles schnell gehen. Der Chef hat gerade einen Langzeitarbeitslosen eingestellt, den ihm die Jobagentur geschickt hatte – aber erst, nachdem er ihn genau unter die Lupe genommen hatte.
    Hier in der Küche hätte auch Carmen K. den Löffel schwingen können. Doch der Chef entschied nach einem prüfenden Blick, sie auf keinen Fall einzustellen. Warum nicht? »Die Frau hatte an jeder Hand acht, neun Ringe. Und da hab’ ich mich gefragt, mit so viel Silber und Gold, was will die eigentlich hier machen? Wie will die denn so arbeiten?« Nie im Leben würde die in der Küche richtig loslegen. Da sei er sich sicher. Und dann schimpft er los: »Ich finde, die kassieren viel zu viel Geld. Um des sozialen Friedens willen kriegen die das vorne und hinten reingeschoben.«
    Jetzt bin ich doch neugierig geworden. Hat er zu

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