Reich durch Hartz IV
Gaststätte. Alles ist dabei. Man brauche kein Hochschuldiplom, fügt Klaus Müller hinzu, um die angebotenen Jobs wahrzunehmen. Allerdings müsse der Bewerber bereit sein, im Schichtdienst zu arbeiten, auch mal unattraktive Arbeitszeiten am Wochenende oder abends hinzunehmen und die Dienste auch durchzuhalten. »Zu einfachen Servicetätigkeiten ist eigentlich fast jeder in der Lage. Ich höre aber die seltsamsten Ausreden. Wenn ich beispielsweise ein Stellenangebot von einer der Burger-Ketten vorlege, dann heißt es: ›Ich bin Vegetarier, ich kann das nicht.‹ Mein persönliches Highlight ist gar keine Ausrede, sondern die bass erstaunte Frage eines jungen Mädchens, die es für unter ihrer Würde hielt, in einem Imbiss zu arbeiten: ›Ja, wer bin ich denn?‹«
Inzwischen haben wir Nachmittag. Von den 15 Eingeladenen sind bisher nur zwei gekommen. Eine dicke Fliege brummt an der Fensterscheibe entlang, der Rechner summt leise vor sich hin. Klaus Müller sortiert Papiere. Endlich, um 16 Uhr kommt doch noch eine junge Frau mit ihrer Mutter. Klaus Müller holt seinen Stapel mit Arbeitsangeboten hervor: »Also, ich habe hier eine Teilzeitstelle. Es geht morgens um fünf Uhr los bis mittags um zwölf Uhr, Frühstücksservice in einem Hotel.« Die 20-Jährige verzieht das Gesicht: »Was? Morgens um fünf Uhr soll ich anfangen?« Klaus Müller verzichtet auf den Hinweis, dass Millionen von Arbeitnehmern morgens um fünf Uhr aufstehen müssen, und bleibt ruhig. »Ich habe noch drei weitere Angebote«, sagt er freundlich: »Sie könnten auch als Auffüllerin arbeiten, Teilzeit oder Vollzeit. In dem Geschäft ist immer viel zu tun. Von der Kaffeedose bis zum Joghurtbecher muss ja alles rein in die Regale.« »Nein, das ist nicht meins.« Die junge Frau verzieht wieder ihr Gesicht. Jetzt mischt sich die Mutter ein: »Mensch, das wär doch was – und schwer ist das doch bestimmt nicht.« Die Tochter schaut jetzt richtig grimmig drein: »Mama, füll’ du doch mal Regale auf, acht Stunden lang. Nein, das mache ich bestimmt nicht.« Klaus Müller gibt nicht auf: »Es werden auch noch Servicekräfte für McDonald’s gesucht. Dieser Job ist auch bei Studenten heiß begehrt, weil man schon sehr früh seine Schichtzeiten erfährt und sich gut darauf einstellen kann. Die legen die Arbeitszeiten immer einen ganzen Monat im Voraus fest.« Die junge Frau bewegt ihre Hände unruhig auf dem Schreibtisch vor Klaus Müller hin und her. Sie hat lange, strahlend weiße, sorgfältig gefeilte aufgeklebte Fingernägel, frisch aus dem Nagelstudio. »Nein, McDonald’s – das möchte ich nicht. Da muss ich ja dann meine Nägel abmachen und an denen hänge ich so. Die habe ich mir extra machen lassen.«
Zum Schluss erwärmt sie sich für die Stelle in einem Biomarkt. Sie wolle mal sehen, ob das was für sie sein könnte. Klaus Müller wird den Arbeitgeber verständigen.
Nach solch einem Tag geht er entnervt nach Hause. Im Grunde hat er nur rumgesessen und gewartet. Später, beim Abendessen mit seiner Familie, kann er dann seinen ganzen Frust loswerden. »Ich hatte auch schon Tage, an denen nicht ein Einziger kam. Obwohl ich 16, 17 Einladungen verschickt hatte, ist keiner erschienen. Das nimmt man dann schon mit nach Hause«, erklärt er mir. »Was sich ändern muss? Dieses Sich-bequem-Einrichten muss aufhören. Das ist der Hauptgrund, warum wir, gerade was die jungen Leute angeht, so zu kämpfen haben. Weil die es sich bereits ganz einfach eingerichtet haben. Und es wird keinerlei Gegenleistung von ihnen gefordert. Jeder muss doch irgendetwas einbringen in einer Gesellschaft wie der unseren. Sei es im Winter Schnee schippen oder Alte und Kranke unterstützen. Aber diejenigen, die meinen, alles sei selbstverständlich, was man so bekommt, die kriegen wir nur dadurch zum Arbeiten, dass wir es ihnen unbequem machen. Und der Druck muss wirklich spürbar sein.«
Arbeit, ja bitte, aber schwarz!
Petra M. will nicht erkannt werden. Sie bekommt Arbeitslosengeld und arbeitet nebenbei. Sie ist kein Einzelfall. Jeder sechste Euro wird in Deutschland schwarz erwirtschaftet. Der Umsatz in der Schattenwirtschaft beträgt 340 Milliarden Euro pro Jahr. Den Deutschen geht die Arbeit also nicht aus – die offizielle ausgenommen. Viele sind fleißig wie eine Biene, arbeiten ohne Ende, aber oft auch ohne Steuerkarte. So wird ein Fünftel aller Arbeiten im Baugewerbe nicht offiziell in Rechnung gestellt.
Die Sondereinheit Finanzkontrolle Schwarzarbeit rückt
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