Reich durch Hartz IV
aus, um zu überprüfen, ob auf einer Baustelle, in einem Laden oder einer Gaststätte nicht angemeldete Arbeitskräfte malochen. Die Baustelle, das Restaurant oder Geschäft werden abgesperrt, damit niemand entwischen kann, und dann werden die Bauarbeiter, Küchenhilfe oder Verkäufer zusammengerufen und einzeln befragt. Zollbeamten prüfen den Ausweis, fragen nach dem Verdienst pro Stunde, nach Arbeitsverträgen, Sozialversicherung, Adresse. Alles wird fein säuberlich mit der Hand auf ein Formular eingetragen, das sie auf einem Klemmbrett vor sich haben. Ich kann es kaum glauben: Jede Kontrolle geschieht also nur nach Augenschein und nur mit Block und Bleistift, nicht mit dem Computer. Manchmal, bei größeren Kontrollen, sitzt im Bus des Zolls ein Mitarbeiter, der zumindest mit der Sozialversicherung vernetzt ist und prüfen kann, ob Beiträge an die Renten- und Krankenversicherung entrichtet werden. Aber es gibt keinerlei Computer-Abgleich mit den Jobcentern. Ob der Bauarbeiter, Kellner oder Verkäufer auch noch Hartz IV bezieht und ob er das Jobcenter offiziell über die Arbeit hier informiert hat, angegeben hat, wie viele Stunden er arbeitet, wie oft pro Woche oder Monat, müssen die Zollbeamten in den Tagen und Wochen nach der Kontrolle telefonisch oder schriftlich bei jedem einzelnen Jobcenter abfragen und prüfen. Sofort geht gar nichts. Und nach Dienstschluss, wenn der Schreibtisch verwaist ist, dauert es eben. Datenschutz ist in Deutschland eben oberstes Gebot. Machtlos sehen die Zollbeamten beim Volkssport Schwarzarbeit zu, wenn in einer Wohnung repariert, onduliert und geputzt wird. Angst, überprüft zu werden, muss man nicht haben, denn in Wohnungen darf der Zoll nicht kontrollieren. Und weil das so ist, bieten Handwerker und Putzfrauen ungeniert in der Zeitung ihre Dienste an – mit Angabe einer Handynummer, damit man ihnen nicht auf die Schliche kommt. Beim einfachen Durchforsten einer beliebigen Zeitung wird klar: Ich könnte eine ganze Kolonne von Arbeitskräften beschäftigen, quer durch alle Branchen – angefangen beim Gärtner über die Reinigungskraft bis zur Seniorenbetreuerin, vom Maler bis zur Friseurin. Die Bedingung ist stets dieselbe: Zehn oder zwölf Euro die Stunde, cash auf die Hand, ohne Papiere. Ein unschlagbares Modell, wenn gleichzeitig Hartz IV bezogen wird, zur monatlichen Grundsicherung also noch ein paar hundert Euro bar dazukommen. Ein Arbeitsangebot der Jobagentur anzunehmen lohnt dann nun wirklich nicht mehr. Manche Anbieter haben einen übervollen Terminkalender, sind fast ausgebucht, wie sie am Telefon freimütig erzählen: »Ich habe Montag, Dienstag und Mittwoch schon alles besetzt. Es geht nur am Donnerstag. Zehn Euro nehme ich pro Stunde.« Oder: »Ich sehe mir Ihren Garten heute mal an. Ich nehme zwölf Euro pro Stunde, aber ich kann nur jeden Dienstagnachmittag. Alle anderen Tage sind schon voll.« Auch die meisten »Perlen« sind schwarz beschäftigt: gut 95 von 100 Putzfrauen. Auf Baustellen, in Gaststätten, Imbissbetrieben, Eisdielen oder im Taxigewerbe ist Schwarzarbeit nicht ganz so problemlos möglich, denn deren Betreiber müssen mit Kontrollen rechnen. Aber auch hier, sagen die Zollbeamten, macht es ihnen der Gesetzgeber nicht gerade leicht, denn jeder Hartz-IV-Empfänger darf zu seiner Grundsicherung etwas dazuverdienen. Ursprünglich war das Ganze gut gemeint: Der Minijob oder die geringfügige Beschäftigung sollten Arbeitslosen die Tür zum Arbeitsmarkt wieder einen Spalt breit öffnen, sie langsam wieder an eine regelmäßige Tätigkeit heranführen. Doch die ganze Aktion erweist sich als Rohrkrepierer.
Internetseiten von Arbeitslosenorganisationen wie www.gegen-hartz.de enthalten Tipps und den Rat, nicht zu viel nebenbei zu verdienen, denn davon werde alles, was einen gewissen Betrag überschreitet, abgezogen: »Neben dem Arbeitslosengeld II (ALG II) ist es möglich, sogenannte Minijobs anzunehmen. Dabei ist es wichtig, eine bestimmte Grundfreibetragsgrenze nicht zu überschreiten, da Sie sonst erhebliche Einbußen davontragen.« Das heißt: Jeder Arbeitslosengeld-II- oder Sozialgeldbezieher kann 100 Euro hinzuverdienen, ohne dass seine Leistung gekürzt würde. Das, was darüber hinausgeht – insofern nicht mehr als 800 Euro eingenommen werden –, darf der Hartz-IV-Empfänger nur zu 20 Prozent behalten. Der Rest wird auf die Stütze angerechnet. Wen wundert’s, dass bei Kontrollen auf Baustellen, in Gaststätten oder Taxibetrieben die Antwort
Weitere Kostenlose Bücher