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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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im Leistungsbezug zu sein, Hartz IV zu bekommen. Wann er denn angefangen habe zu arbeiten, fragen die Beamten. Der Fahrer wirft einen schnellen Blick auf die Uhr. Es ist zwölf. »Gerade vor einer halben Stunde bin ich gekommen«, antwortet er. Um den Taxistand dauerhaft zu überprüfen, fehlen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit die Mitarbeiter. Den Frust darüber schlucken die Beamten herunter. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Die anderen Taxifahrer kennen die Tricks und Kniffe ebenfalls: »Viele hier verdienen sich ein paar Euro dazu zu ihrer Stütze. Die kennen wir schon.« Nachweisen lässt sich mal wieder nichts, worüber sich viele Taxifahrer ärgern, denn sie müssen von ihrem Verdienst eine ganze Familie ernähren. Dass etliche Kollegen über die Grundsicherung versorgt sind, die Miete bezahlt wird und es ihnen nur um einen Zuverdienst geht, macht viele der Fahrer wütend.
    Nach einer kurzen Frühstückspause fahren die Zöllner zu einem türkischen Kulturzentrum: eine riesige Baustelle, abgehängt mit Planen. Von irgendwoher sind laute Hammerschläge zu hören, die meisten Türen sind verschlossen. Dann stoßen die Beamten auf eine Gruppe von Kindern, die offenbar in die hiesige Koranschule gehen. Die geben bereitwillig Auskunft: »Ja, da unten arbeiten welche«, erzählt ein Junge. »Oft?«, wollen die Kontrolleure von ihm wissen. »Jeden Tag«, antwortet der Zwölfjährige. Es erscheint der Vorsitzende der Gemeinde. Wütend funkelt er die Kinder an. »Wir renovieren unser Zentrum«, sagt er bestimmt. »Und das machen unsere Mitglieder selbst.« Wieder ertönen laute Hammerschläge, ist Klopfen und Schleifen zu vernehmen. »Das wollen wir uns mal ansehen«, sagen die Beamten entschlossen. Immer noch sind die Türen zu den Räumen, in denen so eifrig gehämmert wird, verschlossen. Es dauert eine Weile, bis der Vorsitzende die richtigen Schlüssel gefunden hat, um sie zu öffnen. Noch ein paar Treppen hoch und runter, dann landen die Kontrolleure auf einer riesigen Baustelle. Ein Mann in Arbeitskleidung und festen schwarzen Stiefeln stemmt eine Wand auf. Er wolle Leitungen verlegen und dann die Wand verputzen, erklärt er in gebrochenem Deutsch. Er sei Familienvater, habe fünf Kinder. Die ganze Familie, auch seine Frau, beziehe Hartz IV. Hier arbeite er nur selten, gibt er zu verstehen. »Und wann haben Sie heute angefangen?«
    »Vor einer Stunde bin ich gekommen. Aber Geld bekomme ich nicht.« Einer der Zollbeamten hat Sinn für Ironie: »Das ist ja erstaunlich, dass Sie nur heute – und gerade erst eine Stunde – hier arbeiten. Und dann kommen wir ausgerechnet heute zur Kontrolle her.« Der Mann nickt unsicher. Der Vorsitzende beteuert erneut, der Helfer sei ein Mitglied der Gemeinde. Er weiß genau, worauf es ankommt: In Deutschland ist es Vereinsangehörigen erlaubt, unentgeltlich Vereinsarbeit zu leisten. Dass der Mann von oben bis unten staubig ist, seine Arbeitsschuhe gebraucht und keineswegs nur nach einer Stunde Arbeit aussehen – geschenkt.
    Das entgeht auch den Kontrolleuren nicht. Aber um zu beweisen, dass hier in größerem Umfang gearbeitet wird, haben sie nicht genug Anhaltspunkte. Das Ganze ist ein mühsames Unterfangen, und es wartet jetzt eine Menge Arbeit auf die Zollbeamten: Sie müssen das Vereinsregister und die Mitgliederlisten durchsehen und prüfen, ob und wie lange der Mann tatsächlich dazugehört. Wenn dem so ist, gilt es herauszufinden, ob seine Mitgliedschaft nur dazu dient, ein Arbeitsverhältnis zu verschleiern.
    Am Abend haben die Ermittler doch noch die Aussicht, nicht mit Ausreden abgespeist zu werden: Der Zoll hat einen Tipp bekommen. Die Stimmung ist angespannt, die Beamten wissen nicht, was sie heute Nacht erwartet. 20 Kollegen sind beteiligt. Zivilfahnder sind vorgefahren, sichern Hintereingang, Hof und Fenster einer Bäckerei, wo Fladenbrot gebacken wird. Der Zugriff erfolgt. In winzigen Dachkammern sind Bulgaren untergebracht, sie schlafen auf Matratzen, teilweise auf dem Boden, weitere hausen im Keller. Der Vorarbeiter ist ein deutscher Bäcker, Inhaber ein Migrant mit deutschem Pass. Ganze Kisten voll mit Fladenbrot stehen bereit, die restlichen Brote dürfen noch aus dem Ofen geholt werden, dann muss der Bäcker zum Verhör. Die Bulgaren werden mithilfe eines Dolmetschers befragt, denn der Zoll will an die Hintermänner. »Wie kamen Sie her? Waren Schleuser beteiligt? Gibt es noch mehr illegal arbeitende Bulgaren in anderen Betrieben?« Es besteht der

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