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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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Verdacht, dass der Bäcker sich bei zwei verschiedenen Ämtern arbeitslos gemeldet hat und von beiden Leistungen bezieht. Beamte nehmen erst mal das Büro hinter der Backstube auseinander. Zettel, Akten, Computer, alles wird abtransportiert und später geprüft. Auch das kostet Zeit, die wiederum für Kontrollen fehlt. Doch von der Ermittlung hängt ab, ob der Bäcker und der Inhaber mit einem Bußgeld davonkommen oder ins Gefängnis müssen.
    In Hagen beobachten Zollbeamte seit einer Woche emsiges Treiben. In zwei Häusern werden acht Wohnungen komplett entrümpelt und entkernt. Aber von wem? Es sind junge Leute, die Hartz IV beziehen und die klassischen Antworten parat haben: »Das hier ist ein Freundschaftsdienst. Wir kennen uns und helfen uns ein bisschen. Geld gibt es dafür nicht.« Natürlich nicht! Vor einem der Häuser befragen die Beamten den Auftraggeber, der als Subunternehmer für den Eigentümer tätig ist. »Niemand hier bekommt Geld«, beteuert er. »Am Wochenende kaufe ich eine Kiste Bier und Würste, und dann machen wir eine tolle Grillparty. Das sind alles meine Freunde, die mir hier ein bisschen helfen.«
    Im selben Stadtteil dichtet ein Eigentümer das neue Dach seines Hauses mithilfe seines Vaters ab. Bei ihm hatten sich Schwarzarbeiter beworben, doch er hat abgelehnt. »Die sind hier vorbeigekommen – mit einem Tieflader und einem Kleinbus, und haben mir ihre Hilfe angeboten, natürlich gegen Bares auf die Hand. Das mache ich aber nicht mit. Wenn die mir vom Dach fallen, bin ich dran. Und ich will so was auch gar nicht unterstützen. Wenn der mir erzählt, er sei schon lange arbeitslos und will sich hier ein bisschen was dazuverdienen, dann kann ich das nicht glauben. So jemand hat doch keinen Tieflader und keinen Kleinbus. Das ist wahrscheinlich so ein Schwarzarbeitskönig.«
    Es gibt noch mehr solcher »Könige« mit Fantasie und Einfallsreichtum. Dass manche Hartz-IV-Empfänger nämlich keineswegs arme Opfer sind, sondern geschäftstüchtig und schnell, Eigeninitiative zeigen und mobil sind, darauf verwies kürzlich Gezer Özlem im Spiegel in einem Artikel mit der Überschrift: »Schwarzfahren für Fortgeschrittene«. Es ging um einen Hartz-IV-Bezieher, einen arbeitslosen Konditor aus Berlin Kreuzberg, der circa 2500 Euro im Monat »verdiente«.
    »Henrik«, der nur für seine Kunden so hieß, arbeitete aber nur am Samstag, zahlte weder Steuern noch Sozialabgaben und nahm den Hartz-IV-Satz plus Geld für die Miete als Zubrot mit. Sein Arbeitsplatz waren der Berliner Hauptbahnhof und der ICE von Berlin nach Hamburg. Mit seinem sicheren, einfachen und lohnenden Geschäftsmodell zeigte der Konditor, dass er mehr kann als Sahnetörtchen herstellen: Indem er für 652 Euro eine Monatskarte der Deutschen Bahn kaufte, konnte er am Samstag vier Personen unentgeltlich mitnehmen – gedacht als Bonus für treue Kunden, die am Wochenende mit der Familie oder mit Freunden einen Ausflug machen wollen. Der arbeitslose Konditor suchte seine »Familie« über das Internetportal www.mitfahrgelegenheit.de, wo auf der Webseite 650 000 Interessenten registriert sind oder auch samstags direkt am Bahnsteig Nummer acht, Berlin Hauptbahnhof. Dort bot er dann Mitfahrgelegenheiten an, »ganz billig«. Arbeitsbeginn war für ihn 5.54 Uhr. Der Renner war die Strecke selbst: von Berlin nach Hamburg und zurück. Kurz und schnell, die einfache Fahrt mit dem ICE dauert nur eine Stunde und 40 Minuten und kostet bei der Bahn momentan 76 Euro. Der Hartz-IV-Konditor bot sie für 20 Euro pro Nase an, macht hin und zurück bei vier Personen also 160 Euro. So kam er jedes Wochenende auf 640 Euro, macht im Monat 2560 Euro – steuerfrei, bar auf die Hand, äußerst effektiv und bei nur vier Arbeitstagen im Monat auch lukrativ. Noch besser waren Monate mit fünf Samstagen, dann waren es sogar 3200 Euro, die zu seinem Hartz-IV-Satz dazukamen. Der Spiegel zitierte den Konditor mit der Bemerkung: »Es ist okay, aber nicht überragend. Halt das durchschnittliche Gehalt einer Büroangestellten.«
    Irgendwann hatte er so viel Konkurrenz, dass auch die Bahn bemerkte, dass mit den vielen Gruppen am Samstag irgendetwas nicht stimmte, denn das Geschäftsmodell erstreckte sich über ganz Deutschland. Die Monatsticket-Schlepper der Abschnitte zwischen Köln und Hannover, Berlin und Frankfurt, München und Stuttgart sprachen sich zwar ab, damit sie nicht auffielen, aber »allein auf der Strecke Hamburg-Berlin kennt Henrik 15 Konkurrenten

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