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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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Hyatt, Palace, Regent sowie im Schweizerhof. Er und seine Kollegen in weiteren sechs Lkws fahren pro Tag ungefähr 100 Hotels an. Für viele ein Ärgernis: Drei Millionen Arbeitslose gibt es in Deutschland, eine Million davon sind Langzeitarbeitslose, meist ohne Berufsausbildung, die sich um die Tonnen von Hotelwäsche kümmern könnten. Doch nein, sie wird zum Waschen und Bügeln nach Polen geschickt.
    Eduard Sawicki und seine Kollegen holen nicht nur die schmutzige Wäsche ab, sondern bringen auch gleich die frische Wäsche wieder mit. Die polnischen Fahrer wissen: Die Hausdamen aller Hotels warten dringend auf Nachschub: Stapel frisch gebügelter Tischtücher, flauschiger Bademäntel, weicher Handtücher und auf Kante gemangelter Bettwäsche werden in Wäschecontainern ins Hotel gerollt. Die Hausdame steht schon bereit, macht Stichproben, faltet die Bettwäsche und die Tischdecken auseinander, hängt einige Bademäntel auf einen Haken und nickt dann zufrieden: Alles in Ordnung. Sie spart den Einsatz ganzer Brigaden von Zimmermädchen. Die haben nämlich früher beim Beziehen der Betten, wenn sie Tücher mit Rissen bemerkten, diese aussortieren und neue Bettwäsche holen müssen und auch nach dem Putzen der Bäder, wenn sie sahen, dass Handtücher und Bademäntel trotz Waschens noch Flecken hatten, diese entsorgt. Das kostete Zeit und verlängerte den Einsatz der Zimmermädchen pro geputztem Zimmer. Heute kann sie sich darauf verlassen, dass die Wäscherinnen im fernen Polen zerrissene Laken und Handtücher mit Flecken sofort an Ort und Stelle aussortieren und gar nicht erst nach Berlin zurückschicken. Und auch die frische Wäsche kommt schön gefaltet in Berlin an und kann gleich in den Schrank gelegt werden.
    Früher hatten viele Berliner Hotels eine eigene Wäscherei. Doch die wurden inzwischen outgesourct, wie man das auf Neudeutsch nennt. Wie etwa im Bristol. Dort wird nur noch die persönliche Wäsche der Gäste direkt im Haus gereinigt. Smokinghemden, Seidenblusen, Flanellnachthemden müssen quasi über Nacht wieder auf dem Bett des Gastes liegen. »Früher ging hier auch die gesamte Bett- und Tischwäsche durch, doch heute wäre das gar nicht mehr machbar«, sagt die Leiterin der Bristol-Wäscherei. Schon jetzt suche sie händeringend Arbeitskräfte und finde keine, obwohl sie immerhin 1500 Euro brutto im Monat anbietet: »Keiner will solche schmutzige Wäsche anfassen«, weiß sie. »Und wenn wir dann auch noch sagen, dass bei uns im Schichtdienst gearbeitet werden muss – eben auch samstags und sonntags –, dann halt, wenn wir Gäste haben, winken die Bewerber, die uns das Jobcenter schickt, gleich wieder ab. Sie finden zudem, es sei zu heiß in der Wäscherei, und die Maschinen rumpelten zu laut. Das stimmt natürlich, aber unsere Arbeitsbedingungen sind sonst ordentlich. Das Einzige, was die Leute, die uns das Jobcenter schickt, immer wollen: Wir sollen ihnen bescheinigen, dass sie sich vorgestellt haben, wir sie aber nicht gebrauchen können, sprich, sie nicht einstellen wollen. Ohne diese Bescheinigung werden ihnen die Leistungen des Jobcenters gestrichen.«
    Eduard Sawicki kann es sich schlicht nicht leisten, eine Phobie vor schmutziger Wäsche zu entwickeln. Die Berliner Hotelwäsche sichert ihm seinen Lebensunterhalt. Wenn er alle Hotels abgeklappert hat, macht er sich wieder auf den Heimweg. Noch im dichten Feierabendverkehr telefoniert er mit der Disponentin in der Wäscherei. Dann ruft er seine Frau an, häufig um ihr durchzugeben, dass es ein bisschen später werde. Alle Berliner Ausfallstraßen sind um die Zeit dicht, er hat dann noch etwa anderthalb Stunden Fahrt vor sich. Während ich Eduard Sawicki auf der Rückfahrt begleite, macht er sich so seine Gedanken über den Sozialstaat Deutschland: »Ich habe eine Zeitlang in Deutschland auf verschiedenen Baustellen gearbeitet, als nämlich in der Wäscherei nicht genug zu tun war. Da habe ich erfahren, dass viele einfach meinten: ›Eine solche Arbeit gefällt mir nicht.‹ So was gibt es bei uns nicht. Denn in Polen wird höchstens ein Jahr Unterstützung gezahlt – und auch die ist sehr niedrig. Ihr seid immer abgesichert, wenn ihr keine Arbeit habt. Bei uns ist das nicht so.« Dann biegt er entschlossen auf die Autobahn ab.
    Als wir fast zwei Stunden später auf den Hof der Wäscherei Fliegel rollen, begibt sich gerade die Spätschicht auf den Heimweg. Die Leute von der Nachtschicht stehen schon bereit. In der Wäscherei arbeitet man

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