Reich durch Hartz IV
viel Arbeit. Dann kann der Mitarbeiter eben auch nur vier oder sechs Stunden arbeiten. Dafür muss er aber möglicherweise am nächsten Tag oder am Wochenende acht oder zwölf Stunden kommen, dann nämlich, wenn das Hotel wahrscheinlich ausgebucht ist. Wir sind flexible Dienstleister und hängen da dran. Meine Mitarbeiter ziehen immer voll mit. Wir müssen uns voll und ganz nach unseren Auftraggebern richten. Das fällt uns in Deutschland aber ein bisschen schwer. Die meisten wollen um acht Uhr anfangen, um zwölf Mittagspause machen und um 17 Uhr wieder nach Hause gehen, also ein ganz geregeltes Leben haben. Aber das geht in unserer Branche eben nicht. Viele müssten da umdenken und flexibler werden.«
Franz-Josef Wiesemann schätzt Mitarbeiterinnen wie Eva Chorebka. Sie ist Köchin, doch die Kinderkrippe, in der sie gearbeitet hat, wurde geschlossen. Nun kocht sie Wäsche. Dem polnischen Arbeitsamt zu erklären, diese Arbeit liege ihr nicht, putzen gefalle ihr nicht, der Arbeitsplatz müsse um die Ecke liegen und prima zu erreichen sein, und arbeiten könne sie ohnehin nur zwischen acht und zwölf Uhr, ist für sie unvorstellbar. Bei dem Gedanken muss Eva Chorebka lachen: »Es geht bei uns nicht, dass man sagt: ›Ich bin Köchin, und etwas anderes mache ich nicht.‹ Ich war sehr froh über diese Arbeit hier. Natürlich wäre ich gern wieder Köchin, aber wenn das gerade nicht möglich ist, mache ich eben das hier. Wo ist das Problem? In Deutschland habt ihr eine bessere soziale Absicherung. Auch ein Arbeitsloser kann dort gut leben. Das ist bei uns nicht so. Die Unterstützung, die wir bekommen, ist gering und wird nur ein Jahr lang gezahlt. Deswegen sucht bei uns jeder Arbeit und nimmt auch jede an.«
Auch für Pawel Nowak, der neben ihr die Handtücher fürs Hyatt faltet und glättet, ist diese Arbeit kein Traumjob. Irgendwann will er weiterlernen und weiterkommen. Bis dahin schwingt er Wäschesäcke. »Ich will weiter zur Schule gehen und eine qualifizierte Ausbildung machen. Ich möchte gern irgendwann eine leichtere und schönere Arbeit haben. Aber bis dahin verdiene ich erst mal hier mein Geld.« Die Schichtleiterin, die hier in Polen noch Brigadeführerin genannt wird, unterbricht ihn und erklärt, was Priorität habe: »Ein Hotel an der Ostsee ist ausgebucht. Diese Wäsche hat Vorrang. Die Container müssen so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden.«
Eva Chorebka hat einen Mann und zwei Kinder, die noch zur Schule gehen. Die Familie braucht zu Hause jeden Zloty. »Ich arbeite fast immer, auch am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag, an Ostern und vielen Sonntagen. Das hängt vom Dienstplan ab. Aber was soll ich machen? Ich arbeite immer im Wechsel: zwei Tage früh, zwei Tage spät, zweimal Nachtschicht, aber ich bin auch stolz, bei Fliegel zu arbeiten. Ich stelle mir immer vor, welcher Präsident oder welcher berühmte Filmstar in der Wäsche, die ich wasche, falte und mangele, geschlafen hat.« Manchmal legt Eva Chorebka Handtücher auch noch im Schlaf zusammen. Aber ihr ist klar: Ihr Arbeitsplatz ist nur so lange sicher, wie die Hotels im fernen Berlin belegt sind, und nicht nur die Präsidenten, sondern auch die vielen normalen Gäste zufrieden sind und wiederkommen.
Die Berliner Hotels schätzen die Flexibilität ihres Dienstleisters in Polen. Die Hausdame des Bristol beispielsweise ist in einem Hotelhaushalt aufgewachsen und wusste von Anfang an, dass sie keinen Nine-to-five-Job haben würde. An Wochenenden und Feiertagen muss sie regelmäßig arbeiten. Dass beispielsweise Lieferanten da mitziehen, erwartet sie ganz selbstverständlich: »Wir haben sehr oft Delegationen bei uns im Haus. Dann müssen innerhalb eines Tages die gesamte Wäsche, Bettwäsche, Handtücher, Bademäntel und natürlich auch die Tischtücher und Servietten im Restaurant ausgetauscht werden. Die Berliner Wäschereien dürfen sonntags ihre Mitarbeiter nicht arbeiten lassen. Das deutsche Arbeitsschutzgesetz lässt das nicht zu. Eine Sondergenehmigung müsste jedes Mal extra beantragt werden. Das ist für Hotels wie uns schlecht. Es bleibt im Einzelfall ungewiss, ob der Antrag genehmigt wird. Wir können auf keinen Fall riskieren, ohne saubere Wäsche dazustehen.«
Muss unsere schmutzige Wäsche wirklich quer durch die Republik – 140 Kilometer einfache Strecke – gekarrt werden? Ich fahre nach Bad Freienwalde in der Nähe von Berlin. Dort befindet sich die Großwäscherei, die die Berliner Hotels früher
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