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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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sieben Tage in der Woche, rund um die Uhr, Tag und Nacht, das ganze Jahr. Nur Heiligabend ruht auch dieser Betrieb ab 18 Uhr für 24 Stunden. Danach geht es wieder weiter, auch während der Weihnachtsfeiertage, an Neujahr, Ostern, Pfingsten, wenn es nötig ist. Und nötig ist es immer dann, wenn die Hotels Wäsche brauchen. Insofern weiß auch Eduard Sawicki noch nicht genau, ob er morgen frei hat. Sind die Hotels ausgebucht, fällt sein freier Tag erst mal aus. »Eigentlich will ich morgen unser Bad renovieren. Aber vielleicht muss ich doch weg. Das hängt davon ab, ob ich morgen mit Nachschub an frischer Wäsche nach Berlin oder Lübeck muss. So ist das halt.«
    Vor 20 Jahren, als das deutsche Unternehmen Fliegel mit Verwaltungssitz in Berlin die Wäscherei in Gryfino gründete, waren die Polen keineswegs begeistert. »Wie kommen wir dazu, den Deutschen die schmutzige Wäsche zu waschen?«, hieß es anfänglich. Inzwischen sind hier 500 Arbeitsplätze entstanden, und alle sind zufrieden, auch wenn es keine leichte Arbeit ist. Obwohl Eduard Sawicki schon todmüde ist, muss er den Hänger noch leer räumen. Die Säcke mit der schmutzigen Wäsche müssen zu den entsprechenden Maschinen gerollt werden. Er wohnt in einer Dreizimmerwohnung unweit der Wäscherei. Seine beiden Söhne studieren noch, was viel Geld kostet. Aber seine Frau hat einen Job im Supermarkt in Stettin. Zu zweit kommen sie über die Runden.
    Lkws von Fliegel fahren also unablässig zwischen Hotels in Berlin, Rostock, Lübeck und Gryfino hin und her. Die Rolltore der Wäscherei sind ständig in Bewegung. Die 500 Mitarbeiter haben viel zu tun, werden in drei Schichten beschäftigt. Sie reinigen, bügeln und falten täglich 55 Tonnen Wäsche. Der Betrieb ist auf ein solches Volumen eingestellt. Es ist ein modernes Unternehmen. Auch in Sachen Einhaltung von Umweltauflagen steht die Wäscherei in Deutschland ansässigen in nichts nach: »Die Umweltstandards entsprechen dem deutschen Niveau«, sagt Geschäftsführer Franz-Josef Wiesemann. Man wasche mit umweltfreundlichen Waschmitteln, und eine eigene Kläranlage sei im Bau. Beim Umweltbundesamt UBA heißt es, auch in Polen seien die Abwassergrenzwerte der EU-Kommunalabwasserrichtlinie einzuhalten und gültig. Die Weißwäsche wird gekocht. Wasser und Strom sind in Polen billiger, natürlich sind auch die Löhne niedriger. Die Mitarbeiter bekommen umgerechnet etwa 700 Euro brutto. In Deutschland müsste fast das Doppelte gezahlt werden. Auch in Polen ist das Benzin inzwischen teurer geworden und für die Nutzung der Autobahn muss Maut gezahlt werden. Trotzdem denkt die Geschäftsführung von Fliegel nicht im Traum daran, die Wäscherei nach Deutschland – näher zum Kunden hin – zu verlagern. »Das kommt überhaupt nicht infrage«, sagt Geschäftsführer Franz-Josef Wiesemann und fügt hinzu: »Die Mitarbeiter hier sind einfach flexibler, und auch der Staat mischt sich nicht in alles ein. Bedenkt man allein die Diskussion um den Mindestlohn. Was ich zahlen kann, muss ich doch erst mal erwirtschaften. Sagt mir der Gesetzgeber, du musst mindestens 1500 Euro zahlen, darunter hat es keiner nötig, bei dir anzufangen, dann stellt sich doch die Frage: Wie soll ich das denn machen? Es ist ja nicht gottgegeben, dass ich Aufträge bekomme. Es ist ja auch nicht so, dass Hotels beispielsweise den Preis für ihre Zimmer beliebig erhöhen könnten. Auch die stehen unter Konkurrenzdruck. Dann bucht der Gast eben woanders.« Außerdem erzählt Franz-Josef Wiesemann, dass sich Fliegel und die Mitarbeiter auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Hotels einstellen, jeden Extrawunsch erfüllen. Nichts dürfe durcheinander kommen. Das Palace habe andere Bademäntel als das Neptun, das Maritim hätte die Wäsche gerne gut gestärkt, das Madison flauschig, das Hyatt die Tischtücher gefaltet, das Dorint die Bademäntel hängend geliefert. Und die Seelen mancher Hoteldirektoren seien empfindlich. Es gebe viele, die höchstpersönlich in der gewaschenen Wäsche probeschlafen. Und danach kämen die Anrufe… Der deutsche Geschäftsführer und sein polnischer Kollege sind diskret. Doch so viel verrät Franz-Josef Wiesemann: Bisher habe es keine Beschwerden gegeben. Alle Anliegen der Hotelmanager würden beachtet, auch bei 55 Tonnen Wäsche am Tag.
    »Wir leben mit dem Erfolg der Hotels. So wie sie belegt sind, sind auch wir ausgebucht. Danach richtet sich unsere Auslastung. Sind sie nur zu 20 Prozent belegt, haben wir auch nur so

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