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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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Meldet man sich krank, reicht der gelbe Zettel vom Hausarzt nicht, sondern der Kranke wird zum Amtsarzt geschickt.« Das Ergebnis der Umsetzung des »Work-First«-Prinzips: Viele Antragsteller suchen sich lieber eine Arbeit, die sie wirklich machen wollen, als im Fitnessklub zu trainieren oder den ganzen Tag eine gemeinnützige Aufgabe zu verrichten. Unsere Nachbarn haben sich offensichtlich an das strikte Regiment gewöhnt und akzeptieren, für das Geld, das sie vom Staat erhalten, eine Gegenleistung zu erbringen. Jedenfalls höre man selten jemanden grummeln, sagt Gemeindedirektorin Yvonne Bishar. »Vielleicht spüren viele auch, dass ihnen die Arbeit guttut.«
    Ein junger Mann von höchstens Anfang 20 ist da nur ein Beispiel von vielen. Er gräbt einen Garten um, reißt Unkraut aus, setzt Pflanzen ein. Er wirkt dabei nicht verbittert oder schlecht gelaunt. »Ich kriege kein Geld, wenn ich nicht arbeite. Ich bin jung, ich kann doch arbeiten. Das ist kein Problem.« Sein Ausbilder geht mit prüfendem Blick durch den Garten, korrigiert hier, fragt da und findet offenbar gut, dass hier seit dem neuen Umgang mit Arbeitslosigkeit ein Umdenken stattgefunden hat und ein neuer Wind weht: »In Holland sind die Zeiten vorbei, dass man nur so Geld bekommt. Das ist vorbei. Jeder, der etwas kann, muss arbeiten, egal, was für eine Arbeit es ist, aber arbeiten muss man«, sagt er entschieden.
    Künstliche Arbeitswelten und sinnlose Beschäftigungstherapien gibt es hier nicht. In einem Museumsdorf bauen junge Leute ein altes Bauernhaus wieder auf – in ihrem eigenen Tempo, unter der Anleitung von Ausbildern. Es fällt auf, dass zwei Drittel derer, die hier klopfen, hämmern, sägen, Dachsparren und Fußböden verlegen, Migranten sind. Auch die Niederlande hatten wie Deutschland bisher das Problem, dass unter diesen die Arbeitslosenquote doppelt so hoch war wie unter der einheimischen Bevölkerung. Das wollte man nicht mehr als unabänderliches Faktum hinnehmen. Hier gegenzusteuern, die jungen Leute gleich mit in die Verantwortung zu nehmen für ihr neues Leben in der für sie neuen Gesellschaft, betrachtet man in den Niederlanden als eine gute Investition in die Zukunft. Man zeigt ihnen damit auch, dass man sie für tüchtig hält, sie ermutigt, weiterzukommen, bald auf eigenen Füßen zu stehen und für sich selbst zu sorgen. Ein Abschied von Vater Staat als alleinigem Versorger, der die Bürger damit auch unselbstständig macht. So sieht es jedenfalls einer der Ausbilder: »Wir finden wichtig, dass die jungen Leute Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen und nicht sagen: ›Ach, wie schön, der Staat bezahlt alles und kümmert sich um alles.‹ Der Staat ist nicht für alles verantwortlich. Mit dieser Haltung kommt man bei uns nicht mehr durch.«
    Auch die niederländischen Gewerkschaften ziehen mit. Sie beharren nicht mehr darauf, dass regulär beschäftigte Handwerker diese Arbeiten zu machen haben. Es gibt – quer durch die Gesellschaft der Niederlande – eine Übereinkunft darüber, dass von jedem Engagement gefordert werden darf. Einwanderer aus Indonesien und von den Niederländischen Antillen, von denen manche Holländisch nur gebrochen beherrschen, haben offenbar die Zeichen der neuen Zeit verstanden und akzeptieren das, was von ihnen gefordert wird. Nicht einer beschimpft die Mitarbeiter, die auf den pünktlichen Arbeitsbeginn achten, sie ausbilden und Wert darauf legen, dass Pausen wirklich nur eine halbe Stunden dauern, als Rassisten oder Ausbeuter. Jeder weiß, dass Nichtkommen und Nichtmitmachen im Ernstfall mit Sanktionen belegt werden. Es herrscht offenbar Konsens und eine Offenheit dafür, dass alle, Holländer wie Einwanderer, mitziehen müssen. Probleme werden benannt. Junge Leute, die kein Niederländisch sprechen, keine Schule besucht und keinen Beruf gelernt haben, werden als gefährliche Zeitbombe, als sozialer Sprengstoff angesehen.
    Die offene Diskussion und die gemeinsame Suche nach Lösungen führen offenbar zu deutlichen Erfolgen. Übereinstimmend sagen die jungen Männer, die im Museumsdorf klopfen und hämmern, Maß nehmen und Holz sägen: »Ich muss und will herkommen, sonst krieg’ ich kein Geld.« Und auf die Frage, ob sie lieber zu Hause sitzen würden, antworten sie entschieden: »Nein, nein, das ist schon in Ordnung so. So ist das Leben. Du musst für dein Geld arbeiten.« Ein anderer daneben bekräftigt nochmals: »Du musst arbeiten, wenn du Geld haben willst.«
    Doch auch die

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