Reich durch Hartz IV
Benachteiligte wie Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung. Darüber hinaus wurden die Kommunen dazu verpflichtet, jungen Arbeitslosen eine Ausbildung oder einen Job anzubieten. Auch die Kombination aus beidem ist seither möglich: Der Arbeitgeber zahlt den Lohn und die Gemeinden übernehmen die Kosten der Aus- oder Weiterbildung. Der Anspruch auf Hilfe fällt bei Ablehnung eines solchen Angebots allerdings sofort weg. Erreichen will man damit, dass junge Menschen bessere Chancen im Berufsleben haben und nicht schon so früh von der Stütze abhängen.
Aber nicht nur die Arbeitslosen müssen sich bewegen, auch die Verwaltung der Arbeits- und Sozialämter arbeitet inzwischen schneller und effektiver. Wer sich dort erwerbslos meldet, dem wird schon am nächsten Tag angeboten, eine Ausbildung zu machen, eine gemeinnützige Arbeit zu übernehmen oder sich auf dem Arbeitsmarkt anzubieten. Gegebenenfalls auch zunächst auf einem Niveau, das unterhalb der bereits erworbenen Qualifikation liegt.
Das Geheimnis, warum sich auch die Kommunen inzwischen bewegen, ist schnell gelöst: Bis 2004 bekamen diese 75 Prozent der Sozialausgaben vom Staat zurück. Sie übernahmen also selbst nur ein Viertel der Kosten. Kein Wunder, dass das Interesse, den Zustrom der Sozialhilfeempfänger zu stoppen, eher gering war. Seit 2004 haben die Kommunen unseres Nachbarlands die alleinige Verantwortung und müssen somit die gesamte Grundsicherung erwerbsloser Bürger tragen. Nach bestimmten Kriterien, wie beispielsweise dem prognostizierten Wirtschaftswachstum, wird ein festes Budget errechnet, mit dem die Kommunen die Erwerbslosen wieder in die Arbeitswelt bringen sollen. Kommen sie damit nicht aus, müssen sie draufzahlen. Halten sie allerdings gut damit haus, sodass noch etwas übrig bleibt, darf der Überschuss behalten und für andere Zwecke eingesetzt werden. Ein finanzieller Ansporn, der Wirkung zeigt. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wurde auf diese Weise effektiver und immer öfter gewonnen. Und weil auch die Verwaltung der Arbeits- und Sozialämter der Kommunen mitspielt, zeigten sich rasch erste beachtliche Erfolge: Mehr als eine halbe Million Euro konnten die Kommunen jeweils in den ersten beiden Jahren einsparen und die Arbeitslosenzahlen gingen deutlich zurück, besonders bei den jüngeren Menschen.
Doch wie funktioniert das alles genau? Die niederländischen Jobcenter, Centers voor Werk en Inkomen, verwalten das WWB und setzen konsequent den »Work-First«-Ansatz um. Die Antragsteller melden sich also bei den Vermittlern und werden von ihnen direkt zu einer Stellenvermittlung geschickt. Jobs, die sofort angetreten werden können, werden dort vorgestellt. Wer so einen nicht ausüben kann – sei es aufgrund von Krankheit oder der familiären Situation –, muss eine Fortbildung oder ein Praktikum absolvieren. Sogenannte Werkacademien sind wiederum Anlaufstellen, wo Arbeitslose motiviert und »trainiert« werden, um ihre Integrationschancen zu verbessern. Die Programme der Kommunen sind zwar alle etwas unterschiedlich, aber bei allen gilt: erst Arbeiten, dann das Geld. In vielen Orten ist es Pflicht, sich spätestens zwei Tage nach der Antragstellung bei den Stellenvermittlern zu melden und eine Tätigkeit aufzunehmen, in der eine bestimmte Anzahl von Wochenstunden gearbeitet werden muss. Wer sich weigert, bekommt ganz einfach die Hilfe gekürzt. Hart, aber fair.
Auch Sozialbetrug ist in den Niederlanden schwieriger, weil stärker kontrolliert und konsequenter damit umgegangen wird als bei uns. Besonders bei neuen Antragsstellern ist man hinterher. In Deutschland haben die Jobcenter oft zu wenige Mitarbeiter, die überhaupt in der Lage wären, einem Missbrauchsverdacht nachzugehen. In den Niederlanden bekommt man auch unangemeldeten Besuch vom Amt. Es werden harte, aber wirkungsvolle Methoden angewendet, mit klaren Konsequenzen: Wer betrügt, fliegt aus dem Programm.
Alternativen zur Beschäftigung auf dem Ersten Arbeitsmarkt sind gemeinnützige Tätigkeiten wie Straße kehren, Müll im Park aufsammeln, alten Menschen vorlesen oder ihre Einkäufe nach Hause tragen. Das ist sicher nicht der Traum aller erwerbslosen Niederländer, und natürlich ist der Frust mancher Betroffener spürbar. »Es wird gelegentlich gemeckert und gemault«, räumt Gemeindedirektorin Yvonne Bishar ein. Doch schnell macht sie klar: »Maulen nützt nichts, denn es wird hart durchgegriffen. Wer eine Arbeit ablehnt, bekommt die Hilfe gekürzt.
Weitere Kostenlose Bücher