Reich durch Hartz IV
von Zumutbarkeitskriterien helfen, nicht aber mehr Geld.
4. Die Zumutbarkeitskriterien sind zu ändern
Von der Agentur für Arbeit und den Jobcentern wird immer wieder darauf hingewiesen, dass bestimmte Gruppen von Arbeitslosen sozusagen automatisch aus der Vermittlung herausfallen. Alleinerziehende zum Beispiel könnten unmöglich arbeiten, denn ihre Kinder müssten ja irgendwo untergebracht werden. Alleinerziehend ist meist ein Stempel, der von der Verpflichtung befreit, für sich zu sorgen. Warum muss aber der Steuerzahler für den Lebensentwurf eines anderen zahlen, der kein Schicksalsschlag, sondern selbst gewählt ist?
Zu Recht weisen Sozialforscher darauf hin, dass die Scheidungsrate in den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch deswegen deutlich niedriger ausfiel, weil es sich die Menschen oft einfach nicht leisten konnten, auseinanderzugehen. Natürlich waren das oft auch unzumutbare Lebensbedingungen, wenn eine Frau zähneknirschend bei ihrem ungeliebten oder gewalttätigen Mann bleiben musste, weil sie selbst nie erwerbstätig gewesen war und ihr bei einer Trennung Armut gedroht hätte. Niemand will, dass Menschen in solchen Verhältnissen ganz ohne Auffangbecken ausharren müssen, aber inzwischen sind bundesweit ein Fünftel aller Elternteile alleinerziehend, in Berlin ist es sogar ein Drittel aller Väter und Mütter. 40 Prozent aller Alleinerziehenden bundesweit erhalten Hartz IV, werden also vom Steuerzahler alimentiert und finden das völlig normal. Wie oft habe ich das in Jobcentern erlebt und gehört: »Mein Kind ist klein.« Mit dem Argument erstickte jegliche Diskussion über eine Arbeitsaufnahme im Keim. Kein Jobberater wies energisch darauf hin, dass es auch Teilzeitarbeit gebe, Büros, die am Abend oder frühen Morgen geputzt würden, oder Geschäfte, die für den Vormittag oder für das Wochenende Aushilfen suchen würden. Kein Jobmanager erwartete, dass sich die arbeitslose, alleinerziehende Mutter mit der Nachbarin, Freundin, anderen Eltern, den Großeltern oder anderen Verwandten abspricht, wenn es um die Betreuung der Kinder geht. Selbst das Angebot der Jobmanagerin, sie werde bei der suche nach einem Kindergartenplatz oder einer Tagesmutter helfen, fruchtete oft nichts. »Meine Kinder brauchen mich rund um die Uhr«, hieß es dann oft, und diese Kinder waren nicht ein oder zwei Jahre alt, sondern acht, zehn oder vierzehn. Eine Frau, die zehn, 15 Jahre erfolgreich auf ihrem Status als Alleinerziehende beharrt, wird bis zum Rentenalter vom Steuerzahler durchgefüttert werden müssen. Denn spätestens, wenn ihre Kinder groß sind und sie Anfang 40 ist, heißt es dann achselzuckend und bedauernd, inzwischen sei man ja so lange raus aus dem Erwerbsleben, dass einen kein Arbeitgeber mehr einstelle. Über die Kleinigkeit, dass in manchen Städten, wie zum Beispiel in Berlin, Krippen und Kindergärten schon morgens um sechs Uhr aufmachen und bis 18 oder 19 Uhr geöffnet haben, diskutieren einige gerne hinweg. Alleinerziehend ist also das Totschlagargument schlechthin. Nie wird die Frage gestellt, was aus einer Frau Anfang 30 werden solle, die zehn Jahre lang nicht erwerbstätig gewesen ist und auch nicht gedenkt, es die nächsten zehn Jahre zu werden, und tausend Gründe dafür aufzählen kann. Es erklärt ihr niemand, warum es dann für sie fast unmöglich sein wird, in Zukunft wieder einer Beschäftigung nachzugehen.
»Das Hartz-IV-System wirkt wie eine Falle, in der sich Arbeit nicht lohnt«, stellt eine Studie von Alfred Boss, Björn Christensen und Klaus Schrader vom Kieler Institut für Weltwirtschaft fest, die sich mit der Situation von Alleinerziehenden beschäftigt. Die Wissenschaftler rechnen vor: Eine Mutter mit zwei Kindern, die 1500 Euro staatliche Unterstützung erhalte und niedrig qualifiziert sei, könne im Dienstleistungssektor nur ein Einkommen erzielen, das geringfügig unter dem Hartz-IV-Satz liege. »Warum sollte sie sich der Strapaze unterziehen?«, fragt Klaus Schrader und erläutert: »Kritisch sind die Lohnabstände bei den Alleinerziehenden., die nur geringe pekuniäre Anreize haben, Arbeitslosigkeit zu vermeiden bzw. zu beenden, wenn eine ALG-II-Bezieherin eine geringe Qualifikation aufweist und damit nur einer gering entlohnten Beschäftigung nachgehen kann: Ein Lohnabstand besteht nicht, die ALG-II-Zahlung übersteigt den potenziellen Arbeitslohn. Die Lohnabstände sind insbesondere dann kritisch, wenn es sich um Haushalte mit Kindern ohne
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